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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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besitzt, ihr Herz auszuschütten.
    Doch im Moment dreht sich das Gespräch weniger um ihre innere Befindlichkeit, sondern um meine.
    »Schon komisch, wie sehr du Pornographie unter den gegebenen Umständen hasst«, sagt Kimberley.
    »Du meinst, weil ich damit aufgewachsen bin und mit meiner Mutter ein Bordell leite? Tja, das ist nicht dasselbe.«
    »Und wo liegt der große moralische Unterschied?«
    Ich suche nach Worten. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen: »Moralischer Unterschied« ist tatsächlich der richtige Ausdruck. »In der Spontaneität. Ein Mädchen aus Isaan kommt einsam, verängstigt und arm hier in Krung Thep an, ein westlicher Mann mittleren Alters einsam, verängstigt und reich. Die zwei sind wie die beiden Seiten einer Münze. Der Club meiner Mutter erleichtert lediglich das unausweichliche Zusammentreffen der beiden, stellt Bier und Musik sowie gegen ein geringes Entgelt für ein paar Stunden ein Bett zur Verfügung. Letztlich ist alles auf den menschlichen Wunsch nach Wärme und Geborgenheit zurückzuführen. In meinen vielen Jahren im Gewerbe habe ich nur ein halbes Dutzend Fälle ernsthaften Vertrauensmissbrauchs einer Partei erlebt, weswegen das Arrangement so gut als Ausdruck natürlicher Moral und bodenständigen Kapitalismus funktioniert. Meiner Ansicht nach sind wir so etwas wie Immobilienmakler, die nicht mit Grund und Boden, sondern mit Körpern handeln. Das in einem Film zu inszenieren und zu choreographieren, damit irgendwelche schwabbeligen Bierbäuche in Sussex oder Bayern, Minnesota oder der Normandie sich einen runterholen können, ohne ihre Phantasie bemühen zu müssen, empfinde ich als ausgesprochen unmoralisch. Im Club tun die Leute es immerhin. Das heißt, hier kommt die Realität ins Spiel.«
    Sie schüttelt lächelnd den Kopf. »Mein Gott, Sonchai, manche Leute würden dich für verrückt halten, aber so, wie du mir das erklärst, ergibt es Sinn, jedenfalls kurzfristig. Wie konnte dein Geist bloß so frei werden? Was ist mit dir passiert? Sind alle Thais Zuhälter wie du?«
    »Nein«, antworte ich. »Wahrscheinlich bin ich tatsächlich seltsam.«
    Sie hat ihre Flasche Kloster ziemlich schnell geleert und bestellt eine zweite, die sie ebenso hastig kippt. »Sie tun es wirklich«, denkt sie laut nach. »Tja, das ist es wohl, was wir nicht so gut können. Vielleicht lieben wir deshalb auch den Krieg, weil wir ausgehungert sind nach Realität.«
    Sie bedenkt mich mit einem rätselhaften Blick. »Du hast dich verändert«, bemerke ich. »Sehr sogar. Was ist passiert?«
    Ein weiterer Schluck aus der Flasche. »Ich bin fünfunddreißig geworden, das ist die Mitte des Lebens, und da hab ich gemerkt, dass mein gesamtes Realitätsempfinden aus zweiter Hand stammt. Meine Generation der Frauen rebellierte nie, weil wir nicht das Gefühl hatten, es zu müssen. Wir erbten eine Botschaft des Hasses und schmückten die einfach ein bisschen aus. Meinen Vater sah ich nicht oft – dafür sorgte meine Mutter. Und die einzige wichtige Beziehung meines Lebens begann ich wohl, damit ich so richtig das Miststück raushängen lassen konnte. Ist das nicht krank?«
    Was soll ich darauf sagen? Am besten nichts, also wechsle. ich das Thema. »Warum bist du wirklich nach Bangkok gekommen?«
    Sie seufzt. »Wahrscheinlich, um dieses Gespräch mit dir zu führen. So etwas ist in den Staaten nicht mehr möglich, weißt du. Ich bin deines Geistes wegen angereist, Sonchai. Deinen Körper kann Chanya haben – sie hat ihn sich verdient. Mein Gott, ist sie klug. In eurer Gesellschaft halte ich es kaum aus. Wenn ich eure Liebe sehe, würde ich euch am liebsten ins Gefängnis stecken. Ich glaube nicht, dass es so etwas in Amerika gibt; dort wirkt ein mächtiges Tabu dagegen: Denk dir nur, wie viele Stunden du mit der Liebe vergeudest, in denen du Geld verdienen könntest.«
    »Lass uns gehen«, sage ich.
    »Ich will noch ein Bier.«
    »Nein.«
    Wir sitzen eine Weile schweigend im Taxi, bis sie plötzlich sagt: »Ich war verheiratet; ich hab dich angelogen.« Noch einmal kurz Stille, dann: »Und natürlich haben wir uns scheiden lassen.«
    »Kinder?«
    »Einen Jungen. Den hab ich seinem Vater gelassen. Der sagte, wenn der Kleine bei mir bliebe, würde ich ihn kaputt machen, ich sei wie eine auf die Zerstörung alles Männlichen programmierte Bombe. Und ich hatte Angst, dass er recht haben könnte.« Wieder langes Schweigen, bevor sie hinzufügt: »Das ist ziemlich lange her, ich war kaum zwanzig. Als die Sache

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