Der buddhistische Mönch
hereinkommenden Funksprüche beantworten müssen und unsere sonstigen Arbeiten erst einmal ruhen.
Ich rufe Lek zu mir. Seiner bescheidenen Meinung nach sollten wir uns auf die Armbänder konzentrieren. »Zwei Stück, beide von einem jungen Mönch. Und dann rempelt Sie auch noch einer hier vor dem Revier an. Könnte das ein Hinweis sein? Oder sehe ich nur alles wieder zu kompliziert?«
»Spar dir deinen Sarkasmus. Natürlich habe ich über den Mönch und seine Armbänder nachgedacht, aber was soll ich machen? In diesem Land kann man einen Mönch nicht einfach vernehmen, ohne dass einem der Sangha ins Kreuz steigt, und soweit wir wissen, hat er ja auch nichts Ungesetzliches getan.«
»Wieso verteilt er dann Elefantenhaararmbänder an alle, die mit Damrong Kontakt hatten?«
»Du übertreibst, und außerdem ist nicht sicher, ob er sie überhaupt verteilt hat. Warten wir erst mal ab, was er weiter anstellt, bevor du ihn dir vornimmst.«
Ich sehe, dass sich ein neuer Gedanke in Leks Gehirn herausformt. Er besitzt eine bessere Intuition als ich und ist, einmal überzeugt von etwas, nur schwer umzustimmen. Im Moment starrt er mich voller Angst und Ehrfurcht an. »Sie lassen ihn gewinnen, stimmt’s?«
Natürlich sollte ich fragen Was gewinnen?, aber das wäre unehrlich. Ich habe keine Ahnung, was der junge Mönch im Schild führt – bestimmt etwas Ehrenwerteres als Vikorn. Ich weiche Leks Blick aus.
Nun sitze ich auf einem anderen Motorrad in Richtung Starbucks, und mein Handy beginnt zu klingeln. Ich muss rangehen, weil es Nok sein könnte, die das Treffen absagen möchte. Aufgrund des Verkehrslärms verstehe ich kaum etwas, und obendrein ist die Verbindung schlecht.
»Willst du ihm wirklich das Geld für die Operation geben?«, erkundigt sich die FBI-Frau. Einen Moment lang brauche ich beide Hände, um mich am Griff hinter dem Vordersitz festzuhalten, weil der Fahrer sich gerade in eine fünfundvierzig-Grad-Kurve legt. Der Trick besteht darin, das Handy zwischen Zeige-, Mittel- und Ringfinger zu klemmen, ohne irgendwelche Knöpfe zu betätigen, während man sich mit Daumen und kleinem Finger festklammert. »Hallo? Hallo?«
»Sonchai? Bist du noch dran?«
Nach der soeben überstandenen Nahtoderfahrung antworte ich ein wenig außer Atem: »Ich leihe es ihm. Habt ihr zwei euch schon zum Essen getroffen?«
»Nur zu ’ner Kaffeepause, weil ihr heute den ganzen Nachmittag Dienst im Revier habt. Wie kannst du so etwas tun?«
Dieser Fahrer ist einer der schlimmsten, die ich je erlebt habe, und dabei trägt er die Nummer neun auf dem Rücken. Ich frage mich, ob es im Hinblick auf die Glücksverteilung bei den Zahlen vier und neun zu einem ähnlichen Paradigmenwechsel gekommen ist wie beim Klima. Gerade eben musste ich mich mit gesenktem Kopf am Rücken des Fahrers festkrallen, als er ein Taxi überholte. »Was? Ja, ich werde ihm das Geld leihen, weil er mich praktisch auf Knien darum gebeten hat. Seit er das weiß, bin ich der wichtigste Mensch in seinem Leben. Jetzt haben wir gatdanyu. «
»Was?«
»Vergiss es. Das erkläre ich dir, wenn du mal eine Woche übrig hast.«
»Ohne dein Geld könnte er es sich nicht leisten, stimmt’s? Und von einem andern würd er’s nicht bekommen.«
Ich seufze. »Kimberley, wenn ich ihm das Geld für eine erstklassige Operation nicht gäbe, würde er sie von einem Pfuscher machen lassen. Kannst du dir vorstellen, was das in Bangkok bedeutet?«
»Sonchai, ich versteh dich einfach nicht. Er ist einer der schönsten Männer, die ich je gesehen habe.« Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich unter dem dicken Fell der FBI-Frau ein Gutmensch verbirgt. »Du hast so viel Mitgefühl. Wie kannst du das tun? Er wird doch seines Lebens nicht mehr froh.«
»Bleib dran.« Ich bin Optimist, aber selbst mir fällt es schwer zu glauben, dass ich die Begegnung mit dem herannahenden Zementlaster überleben werde. Doch, geschafft! »Ohne Schwanz? Keine Ahnung. Die Betroffenen scheinen zurechtzukommen. Heutzutage verschafft das männliche Glied einem keine Privilegien mehr. Viele, die eins besitzen, fragen sich schon, ob es nicht eher eine Last ist.«
»Hör auf mit dem Unsinn. Ich mein’s ernst. Hier geht’s um die Zukunft eines jungen Menschen.«
Ein wenig verärgert darüber, dass ich vor meinem eigentlichen Ziel vom Motorrad absteigen muss, um weiter mit ihr reden zu können, sage ich: »Moment mal. Ich erklär dir das gleich.« Ich lasse den Fahrer an einer Garküche halten, wo ich mir
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