Der buddhistische Mönch
du mir also nicht mehr böse?«
Ich lege meine kleine Hand über ihre große. »Aber bitte pass auf.«
»Hast du Angst, dass ich ihn kaputt mache?«
»Nein, eher umgekehrt.«
Sie hebt den Blick zu den Bäumen, die das Lokal flankieren. »Er bemerkt mich kaum. In dieser Hinsicht nimmt er mich überhaupt nicht wahr.«
»Was glaubst du, wie sich die Mädchen fühlen, wenn sie mit den zufrieden grinsenden farang- Männerndie Sukhumvit entlang gehen? Sind sie auch zufrieden, oder haben sie nur einfach einen schmutzigen Job gefunden, der mehr Geld bringt als Fabrikarbeit?«
Sie nickt. »Aber die Operation, Sonchai, die ist einfach nicht richtig.«
Ich zucke mit den Achseln. Es hat keinen Sinn, das Thema noch einmal zu diskutieren. Gute zehn Minuten vergehen, in denen alte Rockmusik aus den Lautsprechern des Lokals ertönt. Ein junges Thai-Paar am Nachbartisch sieht aus, als wollte es den Rest des Nachmittags in einem Hotel in der Nähe verbringen; fünf Jungmanager lassen sich in ihrer Mittagspause mit Reiswhiskey volllaufen; ein paar farang- Touristenstudieren einen Stadtplan; unter den Tischen sucht eine Katze nach Essensresten. Die FBI-Frau sagt: »Du musst nach Phnom Penh fahren, dir die Sache mit eigenen Augen ansehen. Ich begleite dich; schließlich bin ich ja wegen dem Fall da. Außerdem brauche ich jetzt ein bisschen harte Realität. Vielleicht denke ich in einem anderen Land nicht so oft an ihn.«
Die FBI-Frau verlässt mich an der Sala-Daeng-Skytrain-Station, um zum Packen ins Hotel zurückzukehren. Ich rufe Lek an und verabrede mich für den frühen Abend mit ihm in seiner Lieblings- katoy -Bar mit dem hübschen Namen Don Juan’s. Dann gehe ich ins Revier, arbeite Papierkram ab und fahre nach Hause, wo ich mich umziehe und Chanya sage, dass ich einen Tag oder so mit der FBI-Frau nach Kambodscha reise. Kurz droht sie, eifersüchtig zu werden, doch wirklich ablenken lässt sie sich nicht von der Seifenoper im Fernsehen. Die Schwangerschaft verleiht ihr beneidenswerte Gelassenheit. »Außerdem werde ich Leks moordu aufsuchen«, gestehe ich.
Sie mustert mich fragend, bevor sie lächelt. »Das wurde auch langsam Zeit. Sag mir hinterher, ob er was taugt.«
» Er ist ein katoy « , erkläre ich.
Sie macht große Augen. »Um so besser.« Man sagt den katoys nach, dass sie ausgezeichnete moordus abgeben.
Es existieren unterschiedliche Bezeichnungen für Transsexuelle: »zweite Frauen«, »drittes Geschlecht«, »die anderen«. Mir gefällt »verkleidete Engel« am besten. Im Don Juan’s wimmelt es von ihnen. Glatte, braune, weibliche Haut, gepolsterte BHs, Silikonpos, jede Menge Schmuck – besonders Silberhalskettchen –, dazu wohlgeformte Beine, laszives Lachen, billiges Parfüm und tuntiges Getue tragen dazu bei, die Laune für eine Nacht zu verbessern. Mumm haben sie, das muss man ihnen lassen. Ich erkenne Lek mit Lippenstift, Rouge und Mascara kaum wieder; ein enges T-Shirt betont seine knospenden Brüste. Die Jeans trägt er wohl mir zuliebe, ohne mich hätte er sich eher für einen Rock entschieden. Strahlend drängt er sich zwischen seinen Schwestern zu mir durch. Vermutlich hat er keinen einzigen Gedanken an Kimberley verschwendet seit deren letztem schmachtenden Anruf.
»Das ist mein Chef, mein Meister«, informiert er seine Freunde mit unverhohlenem Stolz. »Wir arbeiten an einem höllisch schwierigen Fall.« Er schlägt eine Hand vor den Mund. »Aber darüber darf ich nicht reden, das ist alles schrecklich geheim.«
»Nun mach uns nicht neugierig, Pi-Lek!«, ruft ein katoy mit langen Kunstperlenohrringen. »Was für eine Ehre, Sie kennenzulernen«, fährt er an mich gewandt fort. »Pi-Lek hat uns schon viel von Ihnen erzählt – wir wissen, dass Sie der mitfühlendste Cop Bangkoks sind, vielleicht sogar der Erde. Pi-Lek sagt, im Privatleben seien Sie bereits ein Buddha; Sie blieben nur hier auf der Welt, um Ihre Erleuchtung mit uns zu teilen. Was für eine Ehre. «
»Er übertreibt«, erwidere ich. »Ich bin ein ganz normaler Polizist.« Es ist nicht leicht, sich von dieser Charmeoffensive nicht überwältigen zu lassen.
»Kommen Sie«, sagt Lek, »gehen wir zu Pi-Da.« Und mit einer scheuchenden Geste in Richtung seiner Freunde: »Ihr könnt jetzt verschwinden. Mein Meister hat keine Lust, seine Zeit mit albernen Mädels zu vergeuden.« Dann nimmt er mich an der Hand und dirigiert mich durch die Menge zur Bar und auf die andere Seite des Raums. Nun klingt seine Stimme bedeutend
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