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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ausleuchteten, ohne Schatten zu werfen. Offensichtlich hatte er das alles Schritt für Schritt durchdacht. Sandy fragte sich, wie viele Nächte er wohl wach gelegen hatte, nachdem Michelle schon neben ihm eingeschlafen war; wach gelegen, an die Decke geschaut und über das ganze Prozedere nachgedacht; sich immer wieder vor Augen geführt, dass es nur diese eine Gelegenheit gab. Oder an wie vielen Nachmittagen Curt mit seinem Streifenwagen auf der Abzweigung zu irgendeiner Farm gestanden hatte, die Radarpistole auf einen wenig befahrenen Highwayabschnitt gerichtet, und überlegt hatte, wie viele Fledermäuse er noch zur Übung sezieren musste, bis er sich an das eigentliche Objekt heranwagen konnte.
    » Sandy? Blenden die Lampen?«
    Sandy blickte in den Sucher. » Nein. Vor weißem Hintergrund wahrscheinlich schon, aber nicht vor braunem.«
    » Gut.«
    Tony knotete die gelbe Schnur auf, die den Müllsack zuhielt. Als er ihn öffnete, nahm der Gestank zu. » Puh!«, sagte er und wedelte mit der Hand. Dann griff er hinein und zog eine große Plastiktüte heraus.
    Sandy sah über die Kamera hinweg zu. Das Ding in der Tüte sah aus wie das leicht beschädigte Ausstellungsstück einer Monstrositätenschau. Einer der dunklen Flügel war über den Unterkörper gebreitet, und der andere war ans Innere der Plastiktüte gedrückt, wodurch er an eine Hand erinnerte, die von innen an eine Glasscheibe gepresst wird. Wenn man Betrunkene hoppnahm und sie hinten in den Streifenwagen schloss, drückten sie manchmal genauso die Hände an die Fensterscheibe und schauten dazwischen in die Welt hinaus; ein benommen blickendes, dunkles Gesicht zwischen zwei Seesternen. Das hier sah ein klein wenig ähnlich aus.
    » Der Verschluss ist in der Mitte offen«, sagte Curt und nickte missbilligend in Richtung Plastiktüte. » Das erklärt den Gestank.«
    Nichts konnte diesen Gestank erklären, fand Sandy.
    Curt öffnete die Tüte ganz und griff hinein. Sandy spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte, und er fragte sich, ob er sich selbst zu dem zwingen könnte, was Curt da gerade tat. Er bezweifelte es. Doch Trooper Wilcox zögerte keinen Augenblick. Als seine behandschuhten Finger den Kadaver in der Tüte berührten, schauderte Tony ein wenig zurück. Seine Füße blieben, wo sie waren, aber sein Oberkörper schwenkte nach hinten, wie um einem Schlag auszuweichen. Und unwillkürlich gab er hinter der niedlich rosafarbenen Atemmaske ein angewidertes Geräusch von sich.
    » Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Curt.
    » Ja«, sagte Tony.
    » Gut. Ich breite es aus. Du steckst es fest.«
    » Okay.«
    » Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«
    » Ja, verdammt.«
    » Mir ist nämlich auch nicht ganz wohl dabei.« Sandy sah Schweiß über Curts Gesicht rinnen. Die Gummibänder, die seine Maske hielten, wurden feucht davon.
    » Verschieben wir das Sensibilitätstraining doch auf ein andermal und bringen die Sache endlich hinter uns – was meinst du?«
    Curt hob das Fledermauswesen auf das Korkbrett. Sandy hörte dabei ein eigenartiges, schreckliches Geräusch. Es mochte an seinem übersensiblen Gehör liegen und von dem leisen Rascheln von Kleidung und Handschuhen herrühren, aber das glaubte Sandy nicht. Es war tote Haut, die über tote Haut rieb und dabei ein Geräusch erzeugte, das sich in etwa anhörte wie sehr leise gesprochene Worte einer fremden Sprache. Sandy hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten.
    Als er dieses sinistre Rascheln hörte, schien gleichzeitig sein Blick schärfer zu werden. Er sah ganz außergewöhnlich klar. Durch die dünnen Handschuhe hindurch, die Curtis trug, konnte er seine rosige Haut erkennen und die flach gedrückten Haarbüschel auf seinen Fingerrücken. Das Weiß der Handschuhe wirkte sehr hell vor dem Torso des Wesens, der einen matten, fahlen Grauton angenommen hatte. Das Maul des Wesens stand offen. Sein schwarzes Auge starrte matt und glasig ins Leere. Es sah so groß aus wie eine Teetasse.
    Der Gestank wurde schlimmer, aber Sandy sagte nichts. Curt und der Sergeant standen direkt vor der Quelle dieses Gestanks, und wenn sie es aushalten konnten, dachte er, konnte er es auch.
    Curt hob den Flügel, der den Bauch des Wesens bedeckte, und entblößte dabei fahlgrünes Fell und eine kleine geschürzte Höhlung, die vielleicht die Genitalien des Wesens barg. Er hielt den Flügel an das Korkbrett. » Feststecken«, sagte er.
    Tony fixierte den Flügel. Er war dunkelgrau und bestand nur aus Haut. Sandy

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