Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
Jungfrau retten willst, braucht die vielleicht wirklich deine Hilfe.«
Sie sah ihn noch einen Moment an, drehte sich um und
marschierte davon. Das Wort »Schwächling« und bellendes
Gelächter kam bei ihm an. Sobald sie ihm den Rücken zukehrte, gab der Halbelf seinen gespielten Zusammenbruch
auf und kam wieder auf die Füße. Vorsichtig lief er über
die nassen Blätter – für Menschenohren praktisch lautlos.
Dann sprang er auf Kitiara los, knallte gegen ihre Schulter,
schlang die Arme um ihre Taille, stellte ihr ein Bein und riß
sie dann zur Seite.
Einen Moment lang umklammerte er Kitiara, atmete ihren Schweißgeruch und einen schweren, moschusartigen
Duft ein. Im nächsten Augenblick segelte Tanis über ihren
Kopf durch die Luft, drehte sich jedoch dabei wie eine Katze und landete wieder auf den Füßen. Mit einem Grunzen
kam er auf dem Boden auf, wobei sein Lederhemd vorn
aufriß. Kitiara warf einen Blick auf seine nackte Brust un d nickte anerkennend, noch während sie halb in die Hocke
ging. Tanis nahm die gleiche Haltung ein. Im Dunkeln umkreisten sie sich, zwei Schatten, die einander gegenüberstanden, von denen jeder auf eine Blöße des anderen wartete. Keiner zog das Schwert.
»Tanis, so langsam gehst du mir auf die Nerven«, sagte
Kitiara. Ihre Worte klangen gleichmütig, doch ihr zäher
Körper war angespannt.
Was für eine wundervolle Frau, dachte Tanis unwillkürlich, doch zugleich überblickte er noch einmal die toten
Hobgoblins. So sehr er Kitiara bewunderte, er fragte sich,
ob sie überhaupt jemand zähmen könnte.
»Bist du so schwach, daß du einen schon von hinten angreifen mußt?« zog ihn Kitiara auf. »Würde sich ein mutiger Mann nicht von vorne an mich heranwagen?« Sie sprang
auf ihn los, doch der Halbelf wich zurück. Wieder umkreisten sie sich langsam. Tanis konnte hören, wie sie ihre Atmung beherrschte, ihr inneres Gleichgewicht suchte und
fand. Seine Elfensicht war in dem schwachen Licht ein Vorteil für ihn, doch Kitiara schien sich nicht an der Dunkelheit
zu stören. Ihre Augen leuchteten. Tanis konnte den Blick
nicht von ihr wenden. Ihre höhnischen Bemerkungen ließ
er über sich ergehen. Halbelf und Frau umkreisten sich
weiter. Kitiaras Fuß blieb an einem Ast hängen, doch sie
fing sich rasch. Ihre Worte verrieten keine Spur von Erschöpfung. »Ich muß dir sagen, Tanis, daß ich eigentlich immer bekomme, was – oder wen – ich will.« Ihr Blick
sprach Bände.
In diesem Augenblick kam Kitiara genau vor einen der
toten Hobgoblins zu stehen. Tanis machte einen Scheinangriff, den Kitiara kontern wollte, doch sie stolperte über
den ausgestreckten Arm des Hobgoblins und fi ng sich
diesmal zu langsam. Blitzschnell stellte Tanis ihr ein Bein
und ließ sich auf sie fa llen.
Kitiara landete mit voller Wucht auf dem Boden. Sie
stöhnte auf, doch sie schrie nicht. Als sie nach ihrem
Schwert griff, verdrehte Tanis ihr die Hände und drückte
die Handgelenke in Schulterhöhe auf den Boden. Er
schlang seine Beine um ihre, und die stolze Frau, die ihm
weiter Flüche ins Gesicht schleuderte, war bezwungen.
Dann starrte Ta n is Kitiara an. Mit einem Mal wurde er
sich der Rundungen des Körpers unter ihm bewußt. Als sie
ihn anblitzte, wich ihr wütender Gesichtsausdruck langsam
einer belustigten Miene.
»Nun?« sagte sie und zog eine Braue hoch.
»Nun«, gab er zurück. Er ließ etwas locker.
Ihr durchtriebenes Lächeln fesselte ihn. »Da wären wir.«
Tanis sog ihren Geruch tief ein. Spöttisch zog Kitiara die
Brauen hoch und starrte betont auf die Muskeln, die durch
Tanis’ zerrissenes Hemd zu sehen waren. Sie blickte ihn
herausfordernd an. Tanis murmelte einen alten Elfenfluch;
Kitiaras Lächeln wurde breiter. Was konnte schon Gutes
aus einer Verbindung zwischen Mensch und Elf erwachsen? Er wußte doch Bescheid.
Plötzlich wünschte Tanis, er hätte diese Kitiara Uth Matar nach einem versteckten Dolch durchsucht. Aber jetzt
gab es kein Zurück mehr.Später in der Nacht, während Tanis auf Kitiaras Lager schlief, huschte die Kämpferin davon
und gri ff nach ihrem Gepäck, das zwischen Decke und
Feuer lag. Nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, daß der Halbelf schlief, langte Kitiara mit der Hand in
den Beutel und schob Kleidung und Proviant beiseite, während sie nach der Scheinnaht des falschen Bodens tastete.
Fast ohne zu atmen zog sie das steife Tuch zur Seite und
spähte in den Beutel. Violettes Licht strömte in die Lichtung. Sie ließ die
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