Der Bund der Drachenlanze - 11 Tina Daniell
sieht ihm nicht ähnlich, fortzubleiben, ohne mir eine Nachricht zu schicken.«
»Es paßt zu Caramon«, hatte Tanis eingewandt, allerdings nachdenklich hinzugefügt: »Aber nicht zu Sturm.«
»Ich sag’ euch, wem das ähnlich sieht – Tolpan. Und Tolpan ist dafür verantwortlich«, hatte Flint festgestellt. Er
hatte sein Bier heruntergekippt, Otik für ein weiteres herangewinkt und sich verschwörerisch zu den anderen vorgebeugt. »Er läßt dich bloß glauben, daß du das Sagen hast,
aber wo du auch hinwillst, er war’s, der dich an der Nase
herumgeführt hat. Nein, bestimmt ist alles Tolpans Schuld,
und es sieht diesem Türknauf von Kender mal wieder ähnlich, in Südergod herumzustreunen, ohne auch nur den
geringsten Gedanken an seine Freunde zu Hause z u verschwenden. Ich halte es für über fl üssig, sich Sorgen zu machen. Tolpan taucht immer wieder auf, und mit ihm werden Sturm und Caramon auftauchen. Genießt die Zeit der
Stille, rate ich euch.«
Das war ungefähr die längste Rede gewesen, die der gewöhnlich schweigsame Flint je gehalten hatte. Der Zwerg
hatte einen tiefen Zug aus dem neuen Bierkrug genommen
und sich dann mit dem Ärmel den Schaum von den Lippen
gewischt. Während Flint sich dann strahlend im Wirtshaus
umgeblickt hatte, war ihm gar nicht aufgefallen, daß
Raistlin nicht geantwortet hatte. Der junge Zauberer hatte
dagesessen und ihnen Gesellschaft geleistet, hatte aber
nicht viel gesagt. Im Gegenteil – als die Stunden verstrichen
und aus dem Nachmittag Abend wurde, hatte Raistlin seine Freunde kaum noch wahrgenommen. Nachdem er seinen Stuhl umgestellt hatte, hatte er an ihnen vorbeigestarrt.
Der Holzstapel, den Otik angezündet hatte, schien ihn zu
fesseln. Das flackernde Feuer hatte sich in Raistlins
blaßblauen Augen gespiegelt.
Und je tzt die geheimnisvolle Nachricht, mit der Aufforderung, Raistlin am Krystallmirsee zu treffen.
»Was meinst du?« fragte Tanis.
Zur Antwort zeichnete sich Unwillen auf dem faltenreichen Gesicht des Zwergs ab. Die Nachricht war unwillkommen. Jetzt tat es ihm noch mehr leid, daß er dafür ein
Kupferstück bezahlt hatte.
Südergod war nur eine Monatsreise entfernt, hin und zurück. Es waren fast drei Monate ins Land gegangen, seit
Sturm, Caramon und Tolpan abgereist waren. »Ach«, sagte
der Zwerg mit abwehrender Handbewegung, »Raistlin ist
so ein Angsthase. Bestimmt ist gar nichts passiert. Aber«,
fügte er seufzend hinzu, »ich schätze, wir brechen lieber
schleunigst zum Krystallmirsee auf.«
Ähnlich wie einst bei Tanis hatte Flint die MajereZwillinge mehr oder weniger unter seine Fittiche genommen, als ihre Mutter gestorben war und sie noch nicht erwachsen gewesen waren. Über den Zwerg hatte der Halbelf die Brüder kennengelernt und mochte sie auch – in
Grenzen. Caramon war beherzt und gutmütig, doch seine
schlichte Art führte ihn manchmal in die Irre. Was Raistlin
anging, den blassen, jungen Zauberer mit dem durchdringenden Blick, gestand Tanis sich ein, daß es ihm schwerfiel,
irgendein Gespräch mit Raistlin anzuknüpfen, wenn Caramon nicht in der Nähe war.
»Komm schon«, sagte Flint. Er legte seinem Freund den
Arm um die Schulter und dirigierte ihn zur Tür. Am Arbeitstisch blieb der Zwerg einen Augenblick stehen, um mit
einem abgebrochenen Stück Holzkohle etwas auf ein glattes Stück Rinde zu schreiben. Er zwinkerte Tanis zu, als er
es beim Rausgehen an die Tür hängte. »Auf der Jagd«,
stand auf dem Schild.
Zum Ostrand der Stadt mußten die beiden Freunde die
hohen Hängebrücken zwischen den riesigen Vallenholzbäumen nehmen. Wenn die Menschen von Solace es nicht
bereits gewöhnt gewesen wären, die zwei zusammen zu
sehen, hätten der Zwerg und der Halbelf bestimmt die Blicke auf sich gezogen. Der kleine untersetzte Flint mit seinem wiegenden Gang mußte sich sputen, um mit seinem
viel größeren Gefährten Schritt zu halten, der die Wege mit
der leichtfüßigen, sicheren Anmut der Qualinesti-Elfen,
dem Volk seiner Mutter, entlanglief.
Bei dieser Gelegenheit wirkte der Anblick noch komischer, weil Flint unablässig gestikulierte und Ausrufe von
sich gab, w ährend er eine gräßliche Geschichte nach der
anderen über Tolpan erzählte, nur um Tanis aus seiner melancholischen Stimmung zu holen. Aber Tanis blieb die
meiste Zeit schweigsam. Er machte lange Schritte, während
Flint sich bemühte mitzuhalten.
Es war nicht so sehr Raist l ins dringender Ruf, der Tanis
Gedanken verdüsterte, als sie zum
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