Der Bund der Drachenlanze - 11 Tina Daniell
gemeines Volk eine Aufgabe für Magier ist.«
Raistlin drehte sich um und stand auf, um sie zu begrüßen, wobei sein ernstes Lächeln rasch verflog. Sein Gesichtsausdruck war sehr beherrscht. Der Magier winkte
ihnen, damit sie sich neben ihm auf den Stein setzten.
Flint wurde still. Er fühlte, wie Raistlins Augen sein Gesicht erforschten. Nicht zum ersten Mal dachte Tanis, daß
Raistlins blaßblaue Augen sich direkt in die Menschen hineinzubohren schienen.
»Was soll die ganze Geheimnistuerei?« fragte Tanis
freundlich. »Warum konnten wir uns nicht einfach bei Otik
treffen?«
Aus einer tiefen Falte seines Umhangs zog Raistlin eine
auf den ersten Blick gewöhnliche Flasche mit langem Hals.
»Weil ich finde, daß niemand außer uns dreien etwas hiervon wissen sollte«, sagte er geheimnisvoll.
Flint senkte den Kopf, um die besondere Flasche näher
zu betrachten. Dann gab er einen Laut von sich, der halb
verächtlich, halb lachend klang. »Sieht mir weder besonders interessant, noch besonders wichtig aus«, schnaubte
der Zwerg leicht enttäuscht.
Raistlin bedachte ihn mit einem stechenden Blick. »Sieh
zu!« sagte der Zauberer angespannt.
Er zog den Korken heraus, der die Flasche verschloß. Es
zischte leise und roch nach der salzhaltigen Luft am Meer.
Unter den Augen von Zwerg und Halbelf begann der Flaschenbauch hell zu glühen. Lichtpunkte wirbelten darin
herum, begannen zu schimmern und eine klare Gestalt anzunehmen. Die Lichter waren wie winzige, strahlende
Sternchen, die tanzten und wirbelten und einen regelrecht
hypnotisierten.
Die Gestalt, die sie formten, war die von Tolpan Barfuß,
das genaue Abbild des K enders in Miniaturformat, der von
funkelnden Lichtpunkten belebt war. Der Kender gestikulierte. Und dazu piepste unheimlicherweise Tolpans unverwechselbare Stimme aus dem langen Flaschenhals. Lieber
Raistlin!
Ist das nicht erstaunlich? Ich schreibe dir von Bord des guten
Schiffs Venora… jedenfalls war es bis jetzt ein gutes Schiff (seit
zwei Tagen und zw e i Nächten). Caramon ist auf Deck, wo er sich
mit seinen neuen Freunden, den Matrosen, amüsiert, und
Sturm… Die drei lauschten schweigend der ersten Hälfte
der magischen Botschaft. Tanis war erstaunt. Flint klappte
der Unterkiefer herunter.
»Unglaublich«, sagte Tanis. »Wo hast du das her?«
»Ein Kender in der Flasche«, sann Flint ungerührt nach.
»Keine schlechte Idee. Ganz und gar keine schlechte Idee.«
»Schsch!« sagte Raistlin. »Jetzt kommt der wichtige Teil.«
Das Kenderabbild fuhr mit seiner Geschichte fort.
»…Er hat auch nicht so gestunken wie die meisten von ihnen
üblicherweise. Sturm hat gesagt, er hätte sogar Seifengeruch an
dem Hornochsen bemerkt. Sein Name ist – aber ich sollte wohl
lieber sagen, war, bloß damit greife ich mir vor – Argotz. Wie
gesagt, Argotz hatte das Jalopwurzpulver, und ich habe es ihm zu
einem fairen Preis abgehandelt, und ich glaube, er hat aus lauter
Dankbarkeit noch etwas dazugegeben, denn als ich in das Gasthaus zurückkam, wo wir übernachtet haben, fiel mir auf, daß ich
doppelt soviel hatte, wie ich bezahlt hatte. Allerdings ist das nicht
das Komische – du weißt doch, ich habe dir gesagt, daß es auch
etwas Merkwürdiges gab. Obwohl ich finde, daß man es reichlich
merkwürdig finden kann, wenn ein Minotaurus einen Kräuterladen in einer Höhle betreibt. Jedenfalls hat Asa das gesagt, und ich
meine, mich zu e ri nnern, daß du das auch gesagt hast. Aber der
wirklich komische Tei l …« »Der Kender ist nicht einmal hier
und redet trotzdem ununterbrochen«, murmelte Flint, der
die Augen verdrehte. »Aber der wirklich komische Teil ist das,
was danach geschah. Oh, h o b’ ich schon erwähnt, daß Argotz alle
seine Kräuter zusammenpackte und es mächtig eilig zu haben
schien, irgendwohin zu kommen? Natürlich dachten wir uns
nichts dabei, bis wir zwei Tage später an unserem letzten Morgen
in Hyssop erwachten. Das war der Tag, an dem wir aufbrechen
wollten, und wir sind auch aufgebrochen, aber vorher kam noch
ein Mann in das Gasthaus gerannt, der allen erzählte, was dem
minotaurischen Kräuterhändler am Ortsrand zugestoßen war.
Wir sind selbst hinausgegangen, um nachzusehen, und wirklich,
was der Mann gesagt hatte, stimmte: Eine ganz gewaltige Explosion hatte die Höhle zerrissen und den Berghang in die Luft gejagt. Das Hab und Gut des Minotaurus war zerfetzt und überall
verstreut. ›Argotz hat bestimmt einen Fehler gemacht und die
falschen
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