Der Bund der Drachenlanze - 11 Tina Daniell
Tolpan nicht bei uns ist«, sagte Tanis.
Er lächelte, als ihm aufging, daß er den Kender tatsächlich
vermißte. »Der würde mit dem Schloß kurzen Prozeß machen.«
Flint hielt inne und sah den Halbelfen an. »Dieser Türknauf von Kender würde so lange brauchen, dir davon zu
erzählen, wie Onkel Fallenspringer einmal in einer ähnlichen Lage war, daß er ganz vergessen würde, was er machen soll.« Der Zwerg widmete sich wieder seiner Aufgabe.
Flint grunzte zufrieden, als er das Klicken hörte, auf das
er gewartet hatte. Er stieß die Nähnadel nach oben. Die Tür
ging einen winzigen Spalt auf. »Ganz zu schweigen von
dem Umstand, daß Tolpan der Grund ist, warum wir uns
überhaupt in diesem R ä um verfrachtet haben!« fügte Flint
selbstgerecht hinzu.
Raistlin stand auf. Er hatte sich erholt. »Vorsicht«, warnte
der junge Zauberer, bevor er die Tür aufmachte und hinausschlüpfte.
Tanis folgte ihm rasch.
»Wartet auf mich!!« schrie Flint, der eilig sein Werkzeug
einsteckte und hinterherlief.
Das Licht in dem verschlossenen Raum war schwach
gewesen, doch der Gang tauchte sie beinahe in totale
Schwärze. Von einem Ende des Gangs winkte ein he l les
Viereck – ein Fenster. Raistlin lief hin, um hinauszusehen.
Tanis und Flint drängten sich gleich hinter den jungen
Zauberer, um ihm über die Schulter zu schauen.
Was sie sahen, war eine grenzenlose, blauschwarze See
mit aufgewühltem Wasser. Die Küstenlinie war unregelmäßig, stellenweise mit Sandstränden. An anderen Stellen
brach das Wasser gegen scharfgezackte Felsen und eindrucksvolle Klippen.
Ihr Aussichtspunkt lag im höchsten Turm einer Burg auf
der Spitze eines steilen Hügels. Eine staubige Straße
schlängelte sich zum Horizont. Es war nicht zu übersehen,
daß die Straße von Körpern und Skeletten gesäumt war,
die auf Piken aufgespießt waren. Auf der aufgerissenen,
ausgedörrten Erde daneben wuchsen struppige Büsche und
ein paar verkrüppelte Bäume.
Direkt unter dem Turm hütete ein Wachhäuschen mit einem Fallgitter die eine Seite einer Brücke, die sich über einem tiefen Graben spannte. Tanis und die anderen sahen,
daß Riesenbären durch den Graben wanderten. Auf den
Toren standen Wachen. Allerdings keine menschlichen
Wachen, wie Tanis feststellte.
Die großen, tierähnlichen Geschöpfe mit ihren harten
Muskeln hatten platte Nasen, spitze Ohren und perlenartige, runde Augen. Lange, ungepflegte Haare fielen ihnen
von den Schultern. Sie trugen Tierhäute und Pelzumhänge,
dazu Krummsäbel und Speere.
Oger.
Eine der Ogerwachen drehte sich müßig um und blickte
in ihre Richtung.
Schnell duckten sie sich vom Fenster weg.
»Das Orakel hatte recht«, zischte Raistlin seinen Gefährten mit gedämpfter Stimme zu, obwohl sie sich gut außer
Hörweite der Ogerwachen befanden. »Das ist die Küste des
Blutmeers. Wir sind in Ogerstadt, in einem Turm oben in
der Burg. Irgendwie müssen wir hier rauskommen, aber
das bedeutet, daß wir kämpfen oder eine kleine Armee von
Ogern, ihren Sklaven und bösen Geistern umgehen müssen.«
»Großartig«, murmelte Flint.
»Laß mich vorgehen«, sagte Tanis schnell, der aufstand
und wieder den Gang hinunter schritt. Er drehte sich um
und winkte. »Kommt, wir suchen einen Weg nach unten.«
»Ich geh’ als zweiter«, sagte Raistlin, der ihm folgte.
»Da mach’ ich doch gern die Nachhut«, grummelte Flint.
Als Raistlin an dem Raum vorbeikam, aus dem sie gekommen waren, nahm er sich die Zeit, die Tür fest zuzumachen und die Klinke zu überprüfen.
Vor ihnen führte eine schmale Wendeltreppe nach unten.
Mit der einen Hand an der kalten, modrigen Wand entlanggleitend – die andere lag für alle Fälle am Griff seines
Dolches –, ging Tanis langsam die Stu fe n hinunter. Raistlin
legte Tanis die Hand auf die Schulter und folgte ihm. Flint
tat dasselbe bei Raistlin.
Mehrere Minuten liefen sie treppab, bis sie einen großen
Absatz erreichten, von dem drei Gänge abzweigten, jeder
offenbar zu einigen Räumen oder zumindest mehreren Türen. Gedämpfte Geräusche und Stimmen drangen von weiter unten zu den Gefährten herauf. Tageslicht erhellte die
Gänge, die zur Zeit unbelebt erschienen.
Flint stieß vorsichtig eine Tür auf, hinter der ein großer,
schmuckloser Raum lag. Der Raum enthielt ein einfaches
Bett, einen Tisch, eine Truhe und einen Schrank. In dem
Bett hatte offenbar kürzlich jemand geschlafen – wahrscheinlich letzte Nacht –, doch das Zimmer war leer. Nach
der Stille
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