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Der Bund der Illusionisten 1

Der Bund der Illusionisten 1

Titel: Der Bund der Illusionisten 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larke Glenda
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Fenster und starrte nach unten auf die Straße. Das bimmelnde Geschirr von Sleczs und das Schnattern von Stimmen hatte mich hergelockt, und jetzt sah ich, dass überall auf der Straße berittene Magori und Packtiere waren, die alle die Stadt verlassen wollten. Unter ihnen waren Magoroth mit dem Rang der goldenen Cabochone und Imagos, Theuros und gewöhnliche Karden. Und sie alle waren schwer bewaffnet.
    Ich hob meinen Cabochon an mein Ohr und lauschte; ich versuchte, irgendwelche Hinweise darauf zu ergattern, was da vor sich ging. Doch die Geräusche überlagerten sich so sehr, dass es schwer war, einzelne Sätze herauszuhören, selbst mit meinem verbesserten Gehör. Und die Bemerkungen, die ich tatsächlich aufschnappte, waren nur von geringem Wert: » Du solltest etwas abnehmen, Jaset«, oder » Hat Bethely dir gestern einen schönen Abschied bereitet, Mooris? Es könnte eine Weile dauern, bis du sie wiedersiehst!«
    Meine Blicke suchten und fanden Temellin: Er hatte sein Reittier zur Seite gezogen und beobachtete die Leute, die an ihm vorbeiritten. Sein elfenbeinfarbenes, langärmeliges Hemd und die rostbraune Hose waren zerknittert, als hätte er in seinen Sachen geschlafen oder einfach das Interesse an seinem Äußeren verloren. Die scharlachrote Schärpe seines Stoffgürtels und der blutrote Bolero passten nicht ganz zusammen; seine Haare waren länger als sonst und auch widerspenstiger.
    Genau in dem Moment, als mein Blick ihn fand, blickte er auf und sah mich, und ich fragte mich, ob er absichtlich dort stehen geblieben war, um genau das tun zu können.
    Ich führte meinen Cabochon dicht an meine Augen und konzentrierte mich. Der Stein, den ich jetzt frei von Haut trug, begann schwach zu glühen, und ich nutzte das Licht, um meine Augen darin zu baden und meine Sehfähigkeit zu verstärken. Temellin wurde auf einmal klarer, als wäre er so nah, dass ich ihn berühren konnte. Er wirkte dünn und erschöpft; das Lachen war aus seinem Gesicht verschwunden. Die braunen Augen betrachteten mich gedankenvoll, seine Lippen waren zusammengepresst.
    Mein Körper hungerte nach ihm, und sein Anblick zerriss mir das Herz. Temellin. Mein Vetter. Ich hätte ohne schlechtes Gewissen mit ihm ins Bett gehen können, wenn er es noch gewollt hätte. Nun, vielleicht nicht ganz ohne schlechtes Gewissen. Was mein leiblicher Vater getan hatte, um mich zu retten, war eine Bürde, die ewig bestehen bleiben würde.
    Tränen stiegen mir in die Augen, und Temellin verschwamm wieder zu einer fernen Gestalt auf einem Slecz. Ich öffnete meine Hand und legte die Handfläche in einer Geste des Grußes und des Abschieds flach an das Fensterglas. Fast glaubte ich sehen zu können, wie er selbst die Hand hob, als wollte er die Geste erwidern, nur um mitten in der Bewegung innezuhalten. Er wandte sich ab und drängte sein Reittier mit den anderen weg.
    Ich saß auch dann noch am Fenster und starrte auf die Straße hinunter, als bereits gar keine Leute mehr da waren. Die Illusionierer erschufen einen Schwarm pinkfarbener Flamingos für mich, und dann– vielleicht, weil die Vögel allein ein bisschen verloren auf dem Kopfsteinpflaster wirkten– fügten sie einen sumpfigen Teich mit Seerosen hinzu. Nichts davon linderte meine Qual.
    Inzwischen hatte ich über alles gründlich nachgedacht: Es ging um eine Geschichte von Verrat und Tragik, die begonnen hatte, als ich noch ein kleines Kind gewesen war. Sie war noch immer nicht beendet, weil ich diejenige war, die die Enden in den Händen hielt. Allerdings wusste ich noch immer nicht, welches dieser Enden ich Kardiastan übergeben sollte. Ich hatte alles gründlich durchdacht, aber noch immer wusste ich nicht, was ich tun sollte.
    Alles hatte begonnen, als eine Frau ihre Tochter dem Einfluss des Vaters entziehen wollte. Magoria-Wendia nahm Sarana aus dem Palast, weil sie glaubte, dass der Illusionist Solad das Kind übermäßig verwöhnte und dadurch verdarb. Ich konnte mich jetzt sogar wieder an Streitereien erinnern, an das unbegreifliche Geschrei zweier geliebter Elternteile, Streitereien, die für ein Kind, das noch nicht einmal drei war, niederschmetternd gewesen sein mussten. Schwache Erinnerungen: wie ich barfuß über einen polierten Achatfußboden in die Arme meines Vaters laufe. Ihn bewundere, mich in seiner starken Umarmung sicher und geliebt fühle

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