Der Bund der Illusionisten 1
Ende des Seils am Sattelhorn befestigen. Das andere werfe ich dir dann zu. Befestige es an der Mauer, und zwar so hoch wie möglich. Dadurch müsstest du etwas Höhe bekommen. Und dann wirst du dich an dem Seil entlanghangeln müssen, so gut du kannst.«
» Ja.« Das Wort war mehr ein Krächzen und klang ganz und gar nicht nach meiner eigentlichen Stimme. Ich hielt das Schwert hoch und bohrte mit Hilfe der Macht oberhalb von meinem Kopf ein Loch in die Wand. Steinstaub rieselte auf mich herunter. Irgendwo rechts von mir fielen weitere Steine in die Verheerung. Der Rest des Gebäudes hinter mir war verschwunden; mein Mauerstück war alles, was noch übrig war. Ich begann zu zittern.
Meine leise Hoffnung, dass die Illusionierer mir helfen würdenâ indem sie vielleicht eine Brücke erschufen â, war längst zunichtegemacht. Sie gaben sich bereits alle Mühe, dass dieser Teil der Mauer stehen blieb, damit ich noch ein bisschen länger lebte. Ich fühlte ihre Qual und dachte an Pinars Sohn.
Mein eigenes Kind rührte sich zum ersten Mal in meinem Bauch. Meine Sorge um ihn war echt und unwiderstehlichâ und eine Offenbarung. Vielleicht steckte in mir ja doch eine Mutter⦠aber ich hatte nicht wirklich Zeit, jetzt darüber nachzudenken.
» Bist du so weit?«, fragte Brand.
» Ja.«
Das Seil segelte durch die Schwärze, und ich bekam es leicht zu fassen. Ich dankte der Göttin für Brand. Ich fädelte das Seil durch das Loch und verknotete es.
» Wenn du dann startklar bistâ¦Â«, sagte Brand.
Am einen Ende der Mauer stürzte ein Teil zusammen, und der Rest bebte. Ich steckte mein Schwert in den Gürtel und klammerte mich mit beiden Händen an das Seil. Brand drängte das Slecz weiter, damit das Seil gespannt blieb, aber trotzdem konnte ich spüren, wie meine nackten Zehen die Verheerung streiften. Ich zog die Beine leicht an und begann, über den Schrecken hinwegzukriechen.
Weitere Steine fielen, lösten sich dieses Mal an beiden Enden der Mauer. Was jetzt noch übrig war, maà höchstens noch fünf oder sechs Schritte. Ich konnte durch das Seil spüren, dass die Steine bebten.
Etwas kratzte an meinem Bein, so dass es zu bluten begann. Ich sah nach unten. Ein grüner, schuppiger Arm, stockdürr und schleimtropfend, hatte sich nach mir ausgestreckt und schlug mit rasiermesserscharfen Klauen nach mir. Er bekam meinen Knöchel zu fassen und grub sich brutal hinein, zog mich nach unten, einem Schlund voller Zähne entgegen, der knapp unterhalb der Oberfläche lauerte. Ich kam nicht weiter voran.
Also lieà ich mit einer Hand los, so dass ich mich nur noch mit einem Arm festhielt, und zielte mit dem Cabochon auf die Kreatur; der Edelstein begann zu leuchten, und dann verwandelte sich das Licht in brennendes Kaltfeuer. Der goldene Strahl traf auf die Verheerung und löste sich in einem Aufspritzen von geschmolzenen Funken auf, von denen keiner das Ding schädigen konnte, das mich gepackt hielt. Voller Entsetzen trat ich mit meinem freien Fuà nach ihm, aber meine nackten Zehen trafen nicht sehr wirkungsvoll auf die Zähne, und ich riss mir an dem gezackten Kiefer die FuÃsohle auf. Abgesehen davon führte die Bewegung dazu, dass das Seil auf und ab hüpfte und ich der brodelnden Fäulnis immer näher kam.
» Du kannst mich mal«, sagte ich zu dem Ding und zog mein Schwert. Ich schlug zu, trennte der Kreatur den Arm am Handgelenk ab. Der Teil mit den Klauen blieb weiter an meinem Knöchel hängen; der Rest des Arms stürzte in einem Wirbel aus Blut und Schleim nach unten.
Ich würgte, zwang mich, das befleckte Schwert wieder in meinen Gürtel zu stecken, und schwang meine Beine hoch, verkeilte die Knöchel über dem Seil miteinander.
» Ligea.« Brands gequälte Stimme traf mich mit voller Wucht. » Die Mauer!«
Ich bewegte mich bereits wieder, hing immer noch unter dem Seil, an dem ich mich festhielt. Und ich hatte erst die Hälfte der Strecke hinter mir. Brands warnende Worte veranlassten mich, einen Blick zurückzuwerfen. Die Mauer bewegte sich, als das letzte Stück Grundmauer sich in der Fäulnis auflöste. Risse schossen durch das Gemäuer; ganze Steinblöcke fielen um.
Ich konnte den Triumph der Verheerung spüren. Ich würde es nicht schaffen.
Vor Wut und Enttäuschung fletschte ich die Zähne, griff wieder nach meinem Schwert
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