Der Bund der Illusionisten 1
begriff ich, wie es für ihn gewesen sein musste. Ein Kind, das mit einem solchen Wissen aufwuchs und damit zu niemandem hingehen konnte. Das nicht wusste, was es damit tun sollte. Aber genau wusste, dass irgendwann in der Zukunft der Zeitpunkt kommen würde, da es darum ging, einen Mord gutzuheiÃen.
» Was Pinar betrifft«, sagte er dann nach einer langen Pause. » Sie war vollkommen irrational, was dich betraf. Cabochon weiÃ, das zumindest war mir nur zu klar. Sie hat ihre Verbitterung Tag für Tag verströmt und in der Nacht mit zu unserem Lager gebracht.« Er hob den gequälten Blick zu mir. » Das war mein Fehler, schätze ich. Ich konnte ihr nicht die Liebe geben, die sie gebraucht hätte, um eine glückliche Frau zu sein. Diese Liebe besitzt du. Du wirst sie immer haben, und das wusste sie. Man kann eine Magoria nicht belügen. Shirin, wir können für all das eine Lösung findenâ bist du deshalb gekommen?«
Jetzt endlich erreichten uns die Sonnenstrahlen, und in ihrem Licht sah er meine zerstörte Haut. » Derya!«, keuchte er, und dieses eine Wort zerriss mich beinahe. Er streckte ungläubig eine Hand in meine Richtung aus und versuchte, die Wunde im Gesicht zu berühren, zog sie aber dann wieder zurück, als er sich daran erinnerte, dass ich keinerlei Substanz besaÃ. » Die Verheerung.«
Ich nickte erneut.
Er fluchte mit Worten, die ich nicht kannte, und wandte sich laut rufend von mir ab. Seine Stimme klang schroff in der windlosen Stille der Strebe. Innerhalb weniger Augenblicke kamen alle her: Korden, Zerise, Garis und zehn andere Imagos und Theuros.
» Das sind Wunden der Verheerung«, sagte Korden vollkommen überzeugt. Sein Blick war feindselig. Er würde mir Pinars Tod nicht so rasch vergeben.
» Es ist ihre Essenza«, sagte Zerise. Ihr vernarbtes Gesicht wirkte im zunehmenden Tageslicht wie ein Relief. » Das andere ist ihr Kind.« Sie strich sich eine graue Haarsträhne aus dem Gesicht.
» Aber erâ er ist doch sicher immer noch in ihrem Bauch«, wandte Temellin ein, als er schlieÃlich verstand, was die schwebende Kugel war.
» Die Illusionierer müssen damit zu tun haben, und wer weià schon, wozu die Illusionierer fähig sind? Aber sie braucht Hilfe, Illusionist.«
Letzteres kam so widerwillig, dass es mir schwerfiel, zustimmend zu nicken. Ich konnte bereits spüren, wie ich verblasste.
» Kann sie uns hören?«, fragte Garis. Seine Emotionen, Schuldgefühl und Scham, suchten mich und baten mich um Vergebung. Er tat mir leid; ich erkannte bei ihm all die Anzeichen dafür, dass sein überstarkes Gewissen Schaden in ihm anrichtete, weil er seinen eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht geworden war. Es fiel Garis schwer, mit sich selbst zu leben.
» Ja«, antwortete die Imaga. » Aber ihre Essenza hat keine Kraft und keine Substanz.«
Temellin schnitt ihr das Wort ab. » Ich will zu ihr gehen. Ich werde mit ihr zurückgehen.«
Zerises harte Gesichtszüge versetzten mir einen Stich, als sie ihn ansah. » Sie ist dort, wo sie sich aufhält, dem Tode nahe. Handle klug, Illusionist. Die Zukunft von Kardiastan liegt in deinen Händen.« Die Eindringlichkeit, mit der sie dies sagte, nagte an mir und versuchte mir etwas zu sagen, aber ich kam in diesem Moment nicht darauf, was es war.
» Nein, warte«, mischte Korden sich ein. » Temel, denk nach ! Wenn du ihr als Essenza folgst und keine Substanz hast, wie willst du ihr dann helfen?«
» Mein Cabochon wird seine Macht bewahren. Zumindest einen Teil davon. Garis, hol mir mein Schwert.«
» Was kannst du schon für sie tun, das sie nicht selbst tun kann? Sie hat ihren eigenen Cabochon! Sie stirbt, Temel. Du kannst nichts mehr für sie tun. Aber wenn du gehst, kehrst du vielleicht nicht zurück. Es besteht immer die Möglichkeit, dass die Essenza den Zugriff auf die Wirklichkeit verliert â vielleicht vergisst sie, dass sie einen Körper hat, in den sie zurückkehren muss. Und wenn sie zu lange wegbleibt, stirbt der Körper.«
» Ich habe es schon einmal getan«, erklärte er mit einer Stimme, die vor Gereiztheit gepresst klang. » Genau wie Jahan damals, als wir einen Spion brauchten, nachdem ich mein Schwert verloren hatte.«
Die Ironie in diesen Worten brachte mich fast zum Lachen. Wenn Jahan in jener Nacht in der Villa des Präfekten in Sandmurram
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