Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
sie tat?
Er konnte nicht lügen. Er hätte nicht gewusst, wie er Tarran gegenüber etwas verheimlichen sollte. » Wie denn nicht? Sie wurde von einer Bestie der Verheerung übernommen, die dann in der Lage war, ihre Bewegungen zu kontrollieren– und ihre Fähigkeit, Illusionen zu erschaffen.«
» Vielleicht noch nicht sehr gut«, sagte Sarana. » Aber wenn sie Zeit zum Üben gehabt hätte? Oh, Tarran, sie hat einer Mutter das Ungeborene aus dem Mutterleib gefressen. Sie hat Menschen gefressen. Was ist, wenn sie es schaffen, euch alle an die Schwelle des Todes zu treiben, und dann euren Willen ergreifen, euren Verstand und euch mit dem Wind ins Innere von Kardiastan tragen? Nach Madrinya? So dass ihr euch an uns nähren könnt…« Temellin hielt ihr seine Hand mit dem Cabochon hin, und sie berührte ihn mit ihrem eigenen Edelstein.
Tränen liefen Arrant über die Wangen, aber es waren nicht seine. Er ließ zu, dass sie einfach weiterliefen.
Sie alle schwiegen eine lange Weile. Dann begann Tarran zu sprechen, und Arrant wiederholte die Worte, damit auch seine Eltern sie hörten. Wir haben damit gerechnet zu sterben, indem wir von der Verheerung verzehrt werden. Doch das Herz dessen, was wir waren, haben wir unberührt gelassen. Wir dachten, niemand könnte uns von unserer Einheit wegzerren, von unserem Kern. Unsere Illusionen – sie werden vernichtet, aber sie sind nur unsere … Kleider. Unser Schmuck, eine Ausdehnung unseres Selbsts. Sie sind nicht unsere Seele oder unsere Essenza. Wir hatten uns daran geklammert; aber vielleicht hast du recht. Das ist der Teil von uns, den sie wirklich wollen. Sie möchten zu uns werden und unsere Illusion in ihre Vision der Welt verändern.
In ihre Vision der Welt. Eine Illusion, die nicht exzentrisch, sondern bösartig war. Illusionen, die unvorstellbare Alpträume waren, in denen Menschen rannten, ohne jemals entkommen zu können, in denen Kinder gefressen und Leute vor Entsetzen wahnsinnig wurden.
» Illusionslose Seele«, sagte Temellin; seine Emotionen wogten wild durch die Luft. » Stellt euch nur vor, was das bedeutet. Eine Verheerung anstelle einer Illusion. Oder viele verteilte Verheerungen. Und in jeder sitzen Bestien, die die Macht der Illusionierer besitzen und bereit sind, sie zu benutzen. Sie können mit Hilfe des Windes hingehen, wohin sie wollen, ihn mit den Fähigkeiten der Illusionierer leiten. Sie können aus der Zitterödnis hervorbrechen und uns alle erobern. Sie könnten alles tun. Wieso sollten sie mit Kardiastan aufhören?«
Wieder trat Stille ein, als alle darüber nachdachten, dann murmelte Sarana: » Obwohl meine sämtlichen Sinne mir sagten, dass es nicht Temellin war, war es schwer für mich, sie zu töten. Um wie viel schwerer wird es wohl für gewöhnliche Menschen sein, etwas zu töten, das so aussieht wie ihre Ehefrau oder ihr Kind oder ihre Mutter?«
» Es sind unendlich viele Spielarten möglich«, sagte Temellin. » Was ist, wenn sie eine Illusion von, sagen wir, einem Schwarm vierflügeliger Fischervögel benutzen? Oder einer Melonenranke? Oder einem Besen? Niemand würde damit rechnen, vom eigenen Küchenbesen in Stücke gerissen zu werden.«
Arrant saß reglos da. Seine Alpträume waren Wirklichkeit geworden. Er konnte nichts sagen. Er war noch nie scharf darauf gewesen, recht zu behalten.
» Tarran, wie viele Illusionierer gibt es noch?«, fragte Temellin.
Ich weiß es nicht. Ich habe sie nie gezählt. Es wäre ohnehin schwer gewesen. Viele sind sozusagen verschmolzen mit anderen, und man trifft sie nie allein an. In gewisser Hinsicht ist niemand von uns wirklich von den anderen getrennt, nicht einmal ich, wenn ich bei dir bin. Es gibt immer Verbindungen.
Arrant wiederholte die Worte laut und fragte dann: » Also Hunderte, ja?«
Himmel, nein. Mehr als das. Viele Tausende.
Arrant blinzelte, und während er die Worte laut wiederholte, fragte er sich, wieso ihn das überraschte. Darüber, warum es ihn entsetzte, musste er nicht nachdenken.
Die Glocke läutete weiter, rief alle zurück in den Ratssaal, aber niemand von ihnen rührte sich.
» Mir gefällt die Verbindung der Verheerung mit dir nicht, Arrant«, sagte Sarana. Sie trat zu ihm und legte ihm in einer Geste, die ihrer Sorge Ausdruck verleihen sollte, eine Hand auf den Arm. » Ich denke an die Träume, die du früher über die Verheerung hattest. Was ist, wenn die Verheerung sie dir… absichtlich geschickt hat?«
» Wieso sollte sie so etwas getan haben?«, fragte
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