Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
Firgan.
Etwas sagte ihr, dass er auf sie gewartet hatte, und ihr Herz begann, schmerzhaft zu pochen. Alles an ihm beunruhigte sie, hatte es auch immer getan, seit der Zeit, als sie zusammen als Kinder in der Illusion gewesen waren. Später waren sie eine Weile Geliebte gewesen, aber etwas an seiner Art hatte ihr Sorgen gemacht, und sie hatte sich aus der Beziehung zurückgezogen. Sie vermutete, dass er ihr dies nie verziehen hatte. In Firgans Welt war er derjenige, der sich entschied zu gehen.
» Warum so eilig, Süße?«, fragte er. Sein Lächeln war wie immer warm und reizend.
Ihr Herz klopfte schneller. » Verdammt«, dachte sie. » Er hat immer noch Macht über mich. Selbst nach all der Zeit. Dabei weiß ich, dass er ein Mistkerl ist.«
» Ich komme zu spät zum Unterricht«, sagte sie laut und machte Anstalten, einen Bogen um ihn zu machen.
» Du hast dem Sohn des Illusionisten eine Privatstunde gegeben, richtig?«, fragte er und hielt sie am Arm fest. » Taugt er etwas?«
» Das geht dich nichts an, Firgan. Lass mich los. Ich komme zu spät.«
» Natürlich geht es mich etwas an. Es geht uns alle etwas an, auch dich. Der Junge wird irgendwann einmal unser Illusionist werden.« Er ließ sie los, aber seine nächsten Worte genügten, um sie zurückzuhalten. » Komm schon, Ungar, Hübsche– du kannst es mir sagen. Haben wir Grund, uns um unsere Zukunft Sorgen zu machen?« Er lächelte gewinnend. » Wenn du mir in die Augen sehen und sagen kannst, dass der Junge wirklich begabt und ein würdiger Nachfolger von Temellin ist, bin ich schon wieder weg.«
Sie zügelte ihre Emotionen, aber zu spät… erst, als er bereits ihre Besorgnis gespürt hatte– nein, ihren Schock darüber, dass der Illusionisten-Erbe die große Macht, über die er offensichtlich verfügte, nicht im Geringsten kontrollieren konnte.
Es gelang ihr nicht, seinem Blick standzuhalten, und sie wich ihm aus, um weiterzugehen. Er folgte ihr nicht. Dennoch wusste sie, dass sie, wenn sie sich umdrehte, ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht sehen würde, das seine Grübchen zum Vorschein brachte, und seine attraktiven Augen würden zwinkern.
» Er hat Charme«, gestand sie sich im Stillen ein. » Aber der überdeckt eine innere Dunkelheit.« Die Mischung von beidem erzeugte ein prickelndes Gefühl von Gefahr.
Sie ging eilig weiter.
Arrant war übel. Tatsächlich fühlte er sich seit seinem Gespräch mit Temellin am Abend zuvor krank. Er musste sich rehabilitieren, aber er wusste nicht, wie. Jetzt hatte er natürlich noch etwas anderes, weshalb er sich nicht wohl fühlte: Er musste seinem Vater ins Gesicht sehen, nachdem sich wieder einmal gezeigt hatte, dass er seinen Cabochon nicht beherrschte. Wenn er nur all die Dinge hätte tun können, die er an dem Tag gekonnt hatte, als seine Mutter ihn das letzte Mal geprüft hatte. Damals hatte er alles perfekt beherrscht– und noch immer keine Ahnung, wieso.
Er fingerte an den Säumen seines Boleros herum. Es fühlte sich seltsam an, wie ein Karde gekleidet zu sein. Er war an die langen, weit geschnittenen Ärmel des Hemdes nicht gewöhnt. Sie blähten sich, bevor sie an den Handgelenken zusammengebunden waren, und er hatte einen davon in die Soße getunkt, die beim Frühstück serviert wurde. Eris, der Diener, der ihm zugeteilt worden war, hatte die Pflicht, ihm zu zeigen, wie man den Stoffgürtel um die Taille band und die Hosenbeine in die Lederschnürung der Sandalen steckte. Was noch so eine Sache war, an die er sich nur schwer gewöhnen konnte– im Haus Sandalen zu tragen.
Als Temellin wieder ins Zimmer trat, sagte Arrant ruhig: » Ich habe dir gesagt, dass es passieren könnte. Ich weiß nie, was geschehen wird, wenn ich nach meiner Macht greife. Ich kann mich in meiner Einschätzung täuschen und unschuldigen Leuten Schaden zufügen. Oder ich kann die einfachsten Dinge versuchen– und es passiert gar nichts.«
Temellin antwortete nicht sofort. Er ließ sich gegenüber von Arrant nieder. Nach langem Schweigen sagte er: » Du benutzt sie nicht gern, oder? Könnte das dein Problem sein? Dein Zögern?«
» Nein, ich benutze sie nicht gern«, sagte er bedächtig. » Ich habe mit ihr Leute zerfetzt, als ich neun war. Es hat Blut geregnet, wusstest du das? Vor den Mauern von Tyr gibt es eine Stelle, die als Blutende Felder bezeichnet wird. Es heißt, wenn man dort barfuß läuft, tritt man sich immer noch Knochensplitter in die Fußsohlen. Es heißt auch, dass bei schweren Regenfällen
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