Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
Lesgath hatte vorgehabt, ihn freizulassen. Als er sich umdrehte, fing Serenelle Korden seinen Blick auf. Sie hatte den Kopf zur Seite geneigt und betrachtete ihn nachdenklich. Oder war es berechnend? Sie hatte ihn auf dem Übungsgelände zum Narren gemacht.
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Perradin und Bevran zu. » Was tun wir nach dem Essen?«, fragte er.
» Da ist Unterricht in der Klasse.« Perradin zählte die Fächer an seinen schmutzigen Fingern auf. » Geschichte und Geographie, Mathematik und Geometrie, die Theorie der Magormagie, Heilen, Schlachttheorie und Logistik und Ethik. Das ist ganz in Ordnung; einiges davon ist interessantes Zeug, und Lesgath und Grantel und ihre barbarischen Horden sind– der Illusion sei Dank– nicht in unserer Klasse. Serenelle allerdings schon. Ich weiß nie, was zum Sand sie denkt. Bist du gut in Geometrie?«
» Nicht schlecht. War eines meiner Lieblingsfächer.«
» Stark! Dann kannst du mir helfen.«
Arrants erste Tage in der Akademie waren nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Einen Großteil des normalen Unterrichtsstoffes hatte er bereits mit seinen tyranischen Lehrern abgehandelt. Er genoss die Klassenzimmeratmosphäre, wenn er auch die anderen Schüler manchmal kindisch fand; ein gelegentlich aufkeimender Gedanke, den er klugerweise verbarg. Sie hatten kein solches Leben gehabt wie er. Sie hatten ihre frühe Kindheit in der Illusion verbracht, gewiegt vom Zauber der exzentrischen Einfälle der Illusionierer.
Lesgath beachtete ihn meistens gar nicht. Wenn es in der Kampfklasse nötig wurde, dass sie auf irgendeine Art miteinander verkehren mussten, war er höflich, wenn auch distanziert. Arrant, der wusste, dass Lesgath privat ein ganz anderes Gesicht zeigte als öffentlich, war gleichermaßen höflich wie auch vorsichtig. Serenelle schien ihn immerzu zu beobachten, ihn abzuschätzen. Er vermutete, dass sie nach wie vor lauschte, und war vorsichtig, wenn er mit Perradin und den anderen sprach, aber soweit er das beurteilen konnte, tat sie nichts, um ihm zu schaden. Firgan kam mehrmals, um sich seinen Kampfunterricht anzusehen. Er sagte nichts, und wie immer spürte Arrant nichts von seinen Gefühlen. Aber der Blick, mit dem er ihn kritisch betrachtete, war unfreundlich.
Unglücklicherweise schienen einen Tag nach seiner Ankunft alle zu wissen, dass der Sohn des Illusionisten keine zuverlässige Kontrolle über seinen Cabochon besaß und Einzelunterricht bei Ungar hatte, die gewöhnlich die Grundschulkinder betreute. Schlimmer noch, er war schon bald das Opfer einer Reihe armseliger Demütigungen sowie anonymer und bösartiger Sticheleien. Als er seine Schreibtafel einmal mittags auf dem Tisch liegen ließ, kritzelte ihm jemand eine Nachricht drauf: Sie werden dich erst abstillen, wenn du gelernt hast, im Stehen zu pinkeln. Perradin erzählte ihm, dass einige der älteren Schüler sich angesichts seiner Unfähigkeit offen fragten, ob er wirklich der Illusionisten-Erbe sein sollte. Eine Mitschülerin, ein Mädchen namens Vevi, fragte ihn vor vielen anderen Klassenkameraden, ob er sie wirklich durch Zufall alle auflösen könnte, wie das Gerücht besagte.
» Achte nicht darauf«, sagte Perradin.
» Aber könntest du es wirklich?«, beharrte Vevi.
Weil sie eher interessiert als gemein klang, antwortete er ihr aufrichtig. » Wahrscheinlich, aber vermutlich erst, wenn ich in der Stimmung bin, dir wehzutun. Keine Sorge, ich werde euch oder die Akademie nicht aus Versehen in Stücke hacken.« Und doch, noch während er diese Worte sprach, war da ein kalter, harter Kloß in seinem Magen. » Zumindest glaube ich es nicht«, fügte er im Stillen hinzu.
Vevi wirkte enttäuscht, aber Perradin nickte gleichmütig. Nichts schien ihn beunruhigen zu können, nicht einmal die beständigen Missgeschicke aufgrund seiner Unbeholfenheit. Perradin schien nie irgendwelche Dinge zu sehen. Zuerst irritierte Arrant dieser Mangel an Leidenschaft, da er mehr Tarrans strahlenden Überschwang gewohnt war. Nachdem er Perradins Ruhe jedoch ein oder zwei Tage lang erlebt hatte, lernte er seinen neuen Freund zu schätzen. Er war zuverlässig. Freundlich.
Aber er war nicht Tarran.
Er wartete darauf, dass Tarran zurückkehrte, doch die Tage vergingen, ohne dass er seinen Geist berührte. Er erinnerte sich an die letzten Worte seines Bruders: Die Verheerung weitet sich im Norden aus, und die Illusion braucht die Kraft jedes Einzelnen von uns, nur um sich der Ausbreitung zu
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