Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
konnte, deutete jener mit dem Kopf zum Fenster in Sebastians Rücken, das einen Spalt weit offen stand. »Ich will dir jemanden zeigen, aber vorsichtig, er soll uns nicht bemerken. Siehst du vor der Stalltür den Fremden, der sich mit dem Hufschmied unterhält?«
Sebastian runzelte die Stirn. »Meint Ihr den im hellen Mantel?« Eine schlimme Vermutung ließ die Farbe aus seinen Wangen weichen. Trug der Fremde nicht ein rotes Kreuz auf der Brust? Ein blutrotes Kreuz, dessen vier gleichlange Achsen sich in halbrundem Schwung zur Mitte verjüngten, auf schlohweißem Mantel.
Wut schäumte in Sebastian auf, als er erkannte, dass mal wieder einer dieser Tempelritter, die er im Geheimen allesamt verfluchte, den Weg nach Trier gefunden hatte. Wie ihn die aufgeblasenen Kerle anwiderten, die sich ›Arme Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel‹ nannten. Eine höchst irreführende Namensgebung, wie Sebastian fand, von ›arm‹ konnte schließlich keineswegs die Rede sein. Bei dem Ausmaß an Schenkungen von Ländereien und anderen Gütern schwamm der Ritterorden mittlerweile geradezu im Gold. Und während jeder noch so arme Bauer den zehnten Teil seiner Ernte im Zehnthaus für die Obrigkeit abzugeben hatte, brauchten die Tempelritter keinerlei Abgaben zu zahlen. Im Gegenteil, ihnen war sogar erlaubt, welche zu erheben.
Aber was Sebastian noch weit mehr erboste als die Privilegien, die sie den Lobliedern des einflussreichen Zisterziensermönchs Bernhard von Clairvaux zu verdanken hatten, war die Verehrung, die ihnen zugedacht war. Seit dessen Ruhmesreden tat man so, als wären die Templer Heilige. Dabei klebte nicht nur das Blut der im tapferen Kampf besiegten Feinde an ihren Schwertern, sondern auch das von Wehrlosen. Nicht selten schossen die Templer bei der Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, des Schutzes der Pilgerwege ins Heilige Land, weit übers Ziel hinaus und legten beispiellose Brutalität an den Tag. Sebastian wollte lieber keine Einzelheiten über den wenig christlichen Teil der Tugenden wissen, mit denen die Templer sich ihre zweifelhafte Berühmtheit verdient hatten.
»Was hat der Kerl hier verloren?«, fragte er empört an seinen Vater gewandt. »Er soll erst gar nicht versuchen, in Trier Stimmung für diesen elenden Kreuzzug zu machen. Ich sehe keinen Grund, der dafür spricht, dem Kreuzfahrerheer in den Osten nachzurücken. Hier in Trier gibt es weiß Gott genug zu tun, das unsere Kräfte fordert.«
All des Kämpfens leid, das viele seiner jungen Jahre dominiert hatte, loderte in Sebastian der helle Zorn beim Gedanken daran, dass sich wieder ein Krieg angebahnt hatte. Vor fast zwei Jahren hatte der Papst in Vetralla dazu aufgerufen, erneut mit Schild und Schwert gegen die Ungläubigen ins Feld zu ziehen und warb seitdem im gesamten Reich für seine Idee. Edessa, das die Muslime in einer blutigen Schlacht von den Christen zurückerobert hatten, war als Ziel ins Visier genommen worden. Bald nach dem päpstlichen Aufruf hatte der französische König seine Teilnahme zugesichert und schließlich, es war kurz nach Weihnachten des vergangenen Jahres, ließ sich auch der deutsche König Konrad überreden. Im darauffolgenden Monat Mai machte sich der Heereszug auf und würde sich nun für jede nachrückende Verstärkung als dankbar erweisen.
Sebastian erschien das Unterfangen wahnwitzig. Wie konnten sich diese Kreuzfahrer als Lohn für ihre Grausamkeiten an Muslimen und Juden Linderung der Qualen des Fegefeuers versprechen, das sie beim Jüngsten Gericht erwartete? Als ob Gott ein vulgärer Götze wäre, den es nach Menschenblut lechzte! Erfüllt von Abscheu drehte sich Sebastian erneut um, damit er den Templer genauer betrachten konnte.
Er war ein schmaler Mann, der seinen Gesprächspartner um Haupteslänge überragte. Noch keine dreißig Jahre alt mochte der Fremde sein, der Sebastian an das Bildnis des gefallenen Engels Luzifer erinnerte, das er einmal in der Bibel des Grafen von Luxemburg gesehen hatte. Die Haut des Templers hatte einen honigweichen Farbton, der die feinen Züge seines ebenmäßigen Gesichtes unterstrich. Manche Frau wäre mit Stolz erfüllt, wenn sie das fremdländisch wirkende, blauschwarze Haar besäße, das dem Templer bis auf die Schultern reichte. Beinahe sanft hätte Sebastian dessen Äußeres empfunden, wenn da nicht seine Glutaugen wären. Bedrohlich glitzerten sie unter geschwungenen Brauen hervor und ihr lauernder Blick traf Sebastian unerwartet gleich dem eines Fuchses.
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