Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Obwohl Erzbischof Albero bislang offenbar keinerlei Pläne hegte, dem seinem ehrgeizigen Vorhaben nicht gewachsenen und zu scheitern drohenden Kreuzfahrerheer nachzurücken, gab es innerhalb des Adels und der wohlhabenden Trierer Bürger durchaus andere Stimmen. Wenn diesem Templer gelingen würde, Aufmerksamkeit für seine Sache zu gewinnen, könnte ein enormer Druck entstehen.
Sebastian warf ihm erneut einen zornigen Blick zu. Noch immer befand er sich mit dem Hufschmied im Gespräch. Er wirkte aufgeregt, zog seine dünnen schwarzen Augenbrauen beinahe bis zu seinem Schopf hoch und legte seine Stirn in tiefe Furchen. Sebastian fiel auf, dass seine ansonsten feine Mundpartie scharfe Falten durchschnitten, und das gewiss nicht ausschließlich in Momenten wie diesem, in dem sein Gesicht Unruhe ausdrückte. Sebastian schloss daraus auf eine unbarmherzige Strenge seines Wesens, die nach dem Extrem verlangte, egal wie vielgestaltig es sein mochte. Diese Vermutung eignete sich wenig, um seine Abneigung zu mindern. »Was wisst Ihr noch über ihn, Vater?« fragte er, während er dem wohlbeleibten Wirt ein Zeichen gab. Er hatte ihnen mehrfach einen verdrießlichen Blick zugeworfen, wohl in dem Glauben an eine geringe Zeche. Nachdem Sebastian ein Stück von dem Braten erbeten hatte, dessen Duft die Schenke durchzog, erfuhr er von seinem Vater, dass es sich bei dem Templer um Rupert handelte, den Enkel des Bruno de Bourg.
»Aus dem ersten Kreuzzug ging Bruno als gefeierter Held hervor, kam jedoch bei der Rückkehr aus dem Heiligen Land zum größten Erstaunen aller mit einer Sarazenin an seiner Seite zurück. Ihre fremdländische Schönheit nahm den Menschen den Atem. Es heißt, Bruno liebte diese Frau, als wäre sie eine Christin gewesen. Sie gebar ihm drei Söhne. Jeder von ihnen empfand die Tatsache, dass Sarazenenblut in seinen Adern floss, als Schande – egal, wie sehr der Vater ihre Mutter verehrte.«
Sebastian, der seinen Vater gebannt wie der Sünder das Fegefeuer anstarrte, unterbrach ihn: »Und was ist mit seinem Enkel? Empfindet dieser Rupert ebenfalls solche Scham über seine Herkunft?«
»Und ob er das tut. Ich habe Erkundigungen über ihn eingezogen und weiß daher, dass in Rupert glühender Hass gegen alles Morgenländische brennt. Eine an Wahn grenzende Wut treibt ihn zu einem Krieg gegen seine eigenen Wurzeln. Einzig der Mangel an Mitteln, mit dem die Familie seit Jahren kämpft, hat ihn bislang davon abgehalten, mit anderen Kreuzfahrern gegen den Orient zu ziehen, um das Heer zu unterstützen.«
Sebastian rieb sich das Kinn. Wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was sein Vater ihm gerade gesagt hatte, würde dieser Templer sein Ziel ohne Rücksicht auf Verluste verfolgen. Nichts konnte einen Menschen gefährlicher machen als Hass auf das eigene Blut. Und zu welchen Plänen der Hass diesen Rupert antrieb, war nicht schwer zu erraten. »Wenn es Rupert aus Geldmangel unmöglich ist, eigenständig Leute unter Waffen zu stellen, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als einige mächtige Männer auf seine Seite zu ziehen. Und es sieht ganz danach aus, als ob er sie in Trier zu finden gedenkt.«
»Genau«, stimmte sein Vater zu. »Das fürchte ich ebenso. Andererseits wollen wir nicht vergessen, dass Erzbischof Albero ein schlauer Fuchs ist. Weder du, mein Sohn, noch ich kennen jemanden, der es an Witz und Wortgewandtheit mit ihm aufnehmen kann. Ich gehe jede Wette ein, dass er das Spiel des Templers längst durchschaut hat und sich seinen Plänen entgegenstellen wird. Nichts will Albero nach den zähen Kämpfen der vergangenen Jahre mehr für Trier als den Frieden.«
Ein bleicher Kerl kam herbei, in der einen Hand einen riesigen Krug Bier, in der anderen einen dampfenden Teller. Nach einem knappen Kopfnicken Sebastians quetschte er sich an die gut gefüllte Tafel und begann hochzufrieden, sich die Backen mit warmem Speck zu füllen. Edgar musterte ihn skeptisch, aber sein Argwohn währte nicht lange. Bei dem turbulenten Stimmengewirr, das um sie herum herrschte, dürfte der Kerl nichts von ihrer Unterredung mitbekommen. Dennoch rückte Edgar näher an Sebastian heran. »Trotzdem können wir uns nicht allein auf Alberos Stärke verlassen. Wenn wir ausschließen wollen, dass diesem Rupert junge Männer aus Trier unter Befehl gestellt werden, um ihr Leben zu opfern, gilt es zu handeln. Noch vor morgen früh wirst du, mein Sohn, dafür sorgen, dass dieser Templer – sagen wir einfach – vom Erdboden
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