Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
diesen Sebastian eine nie gekannte Dimension. Mit seiner übertriebenen Verbeugung zielte er ohne jeden Zweifel darauf ab, die beiden Herren zu provozieren, die er erst danach aus überheblich lächelndem Mund grüßte.
Laetitia empfand es keineswegs als unsympathisch, dass Wilhelm und Rupert auf diese Weise eine Art Zurechtweisung erfuhren. Gleichzeitig überkam sie allerdings Enttäuschung darüber, dass Edgar seinen Sohn vorgeschickt hatte. Was mochte ein solch junger Bursche ausrichten gegen diese angesehenen Männer, deren Namen die Ehrwürdigkeit von gold verzierten Bibelfolianten besaßen, wie man sie etwa in der erzbischöflichen Bibliothek fand? Überdies bezweifelte sie, dass Sebastians großspuriges Auftreten der Sache nachhaltig diente. Trotzdem wuchs ihre Neugier.
Während Sebastian Wilhelm erklärte, dass er mit dem Einverständnis Erzbischof Alberos erscheine, um der Anhörung beizuwohnen, erforschte Laetitia seine Miene. Dabei entdeckte sie eine Besonderheit. Einerseits verriet Sebastians Gesicht Eitelkeit, Stolz und einen brennenden Ehrgeiz, der sich in seinen wachen grünen Augen spiegelte. Andererseits bemerkte Laetitia Spuren von Sorge, die tiefe Linien in seine Stirn gegraben hatten. Nicht nur sie machte sich Gedanken über Sebastians Erscheinen. Den kompletten Raum erfüllte eine Pause verwirrten Schweigens.
Der Erste, der sich von seiner Überraschung erholte, war Wilhelm. Unter einer Maske unnatürlicher Ruhe blickte er auf Sebastian herab und ergriff erneut das Wort: »Wir fühlen uns geehrt, in Euch einen würdigen Beobachter dieser Anhörung unter uns zu wissen. Bei der Eindeutigkeit des Casus werden wir sicherlich bald zu einem Ergebnis kommen, sodass Ihr nicht lange von Euren sonstigen wichtigen Aufgaben abgehalten werdet.«
Diesmal verlor seine Rede all ihre Nüchternheit. Nichts Maßvolles, Feststellendes lag in seinen Worten, vielmehr klangen sie, als ob jeder einzelne Buchstabe in eine schmutzige, übelriechende Flüssigkeit getaucht worden wäre. Wilhelm ließ wenig Zweifel daran, dass er den jungen Mann für einen Wichtigtuer hielt. Dabei vermochte Laetitia nicht zu sagen, ob ihm schlichtweg misslungen war, die Zweideutigkeit seiner Worte zu verbergen oder ob er diese sogar mit Absicht durchschimmern ließ. Wie dem auch sei – eines stand fest: Falls Wilhelm es darauf angelegt hatte, Betroffenheit oder Zorn in Sebastian auszulösen, musste ihn dessen Reaktion enttäuschen. Er lächelte noch immer, während sein spöttischer Blick von Wilhelm hinüber zu Rupert wanderte. Keinerlei Verlegenheit zeigend, ermunterte er ihn unter hoheitsvollem Nicken, mit der Beschreibung des Tathergangs zu beginnen.
Laetitias Herz stolperte. Welch anmaßendes Verhalten! Nicht Sebastian, sondern Wilhelm oblag es, derlei zu tun. Beim Disput der Nonnen im Kloster Paraklet war sie oft Zeugin dessen geworden, dass man sowohl das Wort wie ein scharfes Schwert führen, als auch die Gestik gleich einer Waffe einsetzen konnte. Ohne eine einzige unflätige Äußerung über die Lippen zu bringen, war es Sebastian binnen kurzer Zeit zweimal gelungen, allein durch die Sprache seines Körpers den Schild der beiden anderen Männer wie mit einem Lanzenstich empfindlich zu treffen.
Rupert zog prompt die Brauen missbilligend hoch, bevor er anhob, seine Sicht der Geschehnisse zu schildern. Dank geschickter Wortwahl verstand er es, die Zuhörerschaft zu fesseln. In Laetitia hingegen hatte noch nie zuvor eine Stimme dermaßen viel Abneigung geweckt wie diese. In diabolischer Selbstgefälligkeit verlegte Rupert sich darauf, Bemerkungen über das Wirken des Templerordens in seine Argumentation einfließen zu lassen, und die strahlenden Tugenden seiner Vereinigung in Opposition zu den Werten der Katharer zu stellen. Statt sich dem Sachverhalt zu widmen, trachtete er danach, eine negative Stimmung gegen Margund zu schüren, weil sie der fragwürdigen Lehre anhing. Genau wie Karolina es vorausgesagt hatte! Unter den Schaulustigen erhob sich bereits ein erbostes Murren, was bewies, dass Ruperts Zornessaat gegen die Katharer auf fruchtbaren Boden gefallen war. Laetitias Furcht vor ihm wuchs.
»Ja, das Irdische, das doch Gottes Schöpfung ist, tut diese schändliche Person als böse ab, weil ihr katharischer Irrglaube besagt, dass einzig eine solche Seele, die sich heftig gegen alles Diesseitige stemmt, zu Gott findet! Und daher hasste sie den Reichtum an irdischen Gütern, dem sie tagtäglich begegnete, wenn sie Burkhards
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