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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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erfüllte es schon mit Freude, den zehnten Teil seiner Ernte abzugeben, damit er in das Säckel der Obrigkeit geriet? Noch dazu in den mageren Jahren, die man gerade durchlebt hatte. Das war nicht vergessen, obwohl man entfernt vom Stadtzentrum längst ein neues Gebäude zum Einlagern der obligatorischen Ernteabgaben errichtet hatte. Vielleicht ging Karolina mit ihren Unterstellungen dennoch ein bisschen zu weit. Irgendeinen Ort, um der Verdächtigen auf den Zahn zu fühlen, musste Albero schließlich bestimmen. Und das alte Zehnthaus, das ausschließlich für Handel und Gewerbe stand, diente wenigstens nicht sakralen Zwecken.
    Laetitia benötigte ihre ganze Kraft, um die schwere Tür, an der massive Schlösser aus Metall befestigt waren, zu öffnen. Sie sah ihre Hoffnung enttäuscht: An ein ruhiges Gespräch war nicht zu denken. Vielmehr schlug ihr ein Gezeter entgegen, das eher dem Possenreißer auf einem Jahrmarkt würdig gewesen wäre als einer Anhörung. Noch bevor sie einen einzigen Schritt ins Zehnthaus tun konnte, rempelte sie ein bleicher Kerl an und riss ihr die Klinke aus der Hand. Obwohl der Mann derart dünn war, dass man fürchtete, ein Windhauch könne ihn zu Boden strecken, spürte Laetitia seinen heftigen Schubs schmerzhaft am Oberarm. Schon brannte ihr ein Unwort auf den Lippen, das sie dem ungehobelten Kerl entgegenzischen wollte. Einzig das geistliche Habit, in dem er steckte, und nicht zuletzt die Eile, mit der er an ihr vorbeigehuscht und sich somit außer Hörweite geschafft hatte, hielten sie davon ab.
    Von überall her schleifte man Stühle und Bänke herbei, denn der großzügige Raum, der sich vor Laetitia auftat, war voller Menschen. Menschen, denen die Sensationslust ins Gesicht geschrieben stand. Am liebsten hätte Laetitia sich in ein Mauseloch verkrochen, aber sie musste sich der Verantwortung stellen, die sie in einem Anflug von Überheblichkeit, wie ihr jetzt erschien, übernommen hatte. Schüchtern sah sie sich nach jemandem um, den sie ansprechen konnte. Ihr Blick fiel auf einen Mann, mit auffallend gutem Aussehen, im Templergewand, bei dem es sich der Beschreibung nach um Rupert de Bourg handeln musste. Er befand sich im Gespräch mit einem etwa Fünfzigjährigen in kirchlicher Kleidung.
    Laetitia blies sich eine Strähne aus der Stirn, bevor sie zu den beiden Männern trat. Mit vor Aufregung zitternder Stimme nannte sie ihren Namen und erklärte, dass Karolina, die Bibliothekarin, sie geschickt habe. »Verzeiht, dass ich Euch störe. Ich bin mit der Erlaubnis des Erzbischofs hier. Edgar von Falkenstein hat mit Albero vereinbart, dass die Katharerin jemanden haben soll, der ihr bei der Befragung zur Seite steht. Ja, und das bin ich … Karolina hat mich geschickt … «
    Rupert, dessen Mund ein spöttischer Zug umspielte, hob die Brauen, während der Mann in seiner Begleitung sie für Sekunden wortlos anstarrte. Graues Haar, das vom Wind zerzaust an ein Gewirr aus Lammwolle erinnerte, verlieh seiner Erscheinung etwas Unwirkliches, ja, Gespenstisches. Seinen schmalen Lippen fehlte jegliche Farbe. Noch merkwürdiger erschien Laetitia die Energie, die aus seinen mit bläulichen Schatten unterzogenen Augen funkelte und einen eigentümlichen Gegensatz zu dem durchfurchten Gesicht bildete. Der Mann machte keinerlei Anstalten, sich seinerseits vorzustellen. Er konnte aber niemand anderes als Bruder Wilhelm sein. Warum sonst sollten die soeben eingetretenen Neugierigen ehrerbietig – nein, nahezu unterwürfig – den Kopf vor ihm neigen?
    Es störte Laetitia kaum, dass Wilhelm es für überflüssig hielt, ihr seinen Namen zu nennen. Schließlich zählte er zu den herausragendsten Persönlichkeiten Triers. Die Leute munkelten, dass der Erzbischof die gesamte Verantwortung für das Matthias-Pilgertum bald in Wilhelms Hände legen wolle; manche handelten ihn sogar als potenziellen Nachfolger Alberos, der immerhin bereits im siebenundsechzigsten Lebensjahr stand. Dass Wilhelm sich überhaupt angeboten hatte, die Anhörung zu leiten, ließ sich einzig durch Burkhards legendären Reichtum und das damit verbundene hohe Ansehen erklären. Natürlich nahm Wilhelm mit aller Selbstverständlichkeit der Welt an, dass jeder ihn kannte. Das verwunderte Laetitia nicht. Als ausgesprochen unangenehm empfand sie allerdings, dass er ihre Anwesenheit zwar zur Kenntnis nahm, dieser jedoch nicht die geringste Bedeutung beimaß. Dies verriet der abschätzige Blick, mit dem er sie bedachte, gerade so, wie man

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