Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Briefe erwähnt, ich meine Briefe von Petrus Abaelardus?«
Margund schüttelte den Kopf. »Petrus Abaelardus? Wer ist das?«
Wie dumm von mir, musste sich Laetitia eingestehen. Wie wollte sie von einem einfachen Mädchen erwarten, dass es mit den Namen von Gelehrten vertraut war? Nein, sie musste ihre Befragung völlig anders anfangen. »Versucht Euch an jede einzelne Minute des Tages zu erinnern, an dem Burkhard umgebracht wurde. Irgendwas muss es einfach geben, was Euch auffiel und uns auf die Spur des Täters führen kann!«
Margund ließ ihre Hände sinken. Skeptisch musterte sie Laetitias Gesicht, wohl um herauszufinden, ob wenigstens sie an ihre Unschuld glaubte. Dann sagte sie in voller Überzeugung dessen, dass ein Urteil über sie längst gefällt und der Tod am Galgen unabwendbares Schicksal war: »Warum glaubt mir bloß niemand, dass ich unschuldig bin! Gewiss würde man mich nicht verdächtigen, wenn ich keine Katharerin wäre. Warum hasst man die Lehre so sehr, dass man gleich eine Verbrecherin in mir sieht? Dabei weiß ich nichts über den Mord, gar nichts. Ich hatte keinen Streit mit Burkhard. Auch war ich nicht wütend über seinen Reichtum, wie Rupert es behauptet hat. Nein, Burkhard hat sich mir gegenüber stets sehr gütig verhalten. Warum hätte ich ihn ermorden sollen?« Sie zuckte hilflos die Achseln.
»Was genau geschah an dem Abend? Jedes Detail kann uns weiterhelfen!«
»Wie üblich brachte ich Burkhard um die Mittagszeit sein Essen. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen – zumindest nicht lebend! Erst als es dunkel war, fiel mir siedend heiß ein, dass ich noch einen Auftrag hatte. Am Nachmittag hatte ein Botenjunge zwei Töpfe Schmalz abgegeben, die ich Burkhard bringen sollte.«
»Ein Botenjunge? Von wem geschickt?«
»Keine Ahnung. Aber er erteilte genaue Instruktionen von seinem Herrn.«
»Und die lauteten wie?«
»Dass ich erst eine Stunde nach der Dämmerung, das habe ihm sein Herr aufgetragen, die Töpfe zu Burkhard bringen sollte. Zur passenden Zeit warf ich meinen Mantel über und machte mich erneut auf zu Burkhards Haus. Was denkt Ihr, wie erschrocken ich war, als er auf dem Boden lag in einem Meer aus Blut, die Hände wie im Gebet verschränkt und mit geschlossenen Augen?«
»Was habt Ihr dann getan?«
»Die Töpfe sind mir aus der Hand gefallen. Es hat gescheppert. Draußen wurden Stimmen laut, Alberos Wachen stürzten herein und dann kam eines zum anderen: Die Fragen von Alberos Wachleuten, bei deren Beantwortung ich mich immer tiefer verhedderte, geradewegs wie ein Fisch im Netz – obwohl ich mir nichts zuschulden habe kommen lassen. Ich war völlig kopflos vor Aufregung!«
Margund musste unmittelbar nach ihrer eigenen Flucht vor den Wachleuten Burkhards Haus erreicht haben, überlegte Laetitia. Nachdem sie ihre Verfolgung aufgegeben hatten, kehrten die Wachen zu Burkhards Haus zurück und trafen dort auf Margund, die sich in genau der verdächtigen Situation wiederfand, in die sie selbst zuvor geraten war. Ebenso zufällig und unschuldig. Wie übel einem das Schicksal mitspielen konnte! Rätselhaft blieb allerdings, warum die Wachleute überhaupt in Burkhards Haus aufgetaucht waren. Was hatten sie dort zu schaffen? Darüber zerbrach sie sich bereits seit der Mordnacht vergebens den Kopf. Hatte jemand Margund bewusst eine Falle gestellt und die Wachen unter einem Vorwand angelockt? Das schien durchaus denkbar. »Wie lautet der Name des Botenjungen? Es würde mich doch sehr interessieren, wer sein Auftraggeber war.«
»Kann ich Euch nicht sagen. Seinen schwarzen Locken nach zu urteilen, gehörte er wohl zu dem fahrenden Volk, das kürzlich in die Stadt kam.«
Laetitia stieß enttäuscht Luft aus. Dafür, dass diese Leute schleunigst weiterzogen und die Pilger nicht störten, hatte Albero längst gesorgt. Warum nur konnten die Wachleute so dumm sein, Margund als die Täterin zu betrachten?, ging es Laetitia durch den Kopf. Wussten sie doch viel zu genau, dass zuvor ein anderes Mädchen vor ihnen floh! Solch widersprüchliches Verhalten warf ein schlechtes Licht auf die Wachen. Ob sie sich schützen wollten, indem sie die misslungene Verfolgung einer verdächtigen Person gegenüber ihrem Hauptmann verschwiegen? Laetitia rieb sich nachdenklich das Kinn. Ja, das war durchaus möglich. Somit ersparten sie sich Vorwürfe und Scherereien.
Margund würde diese Frage nicht beantworten können, aber sie wusste vielleicht bei einer anderen, noch weitaus entscheidenderen
Weitere Kostenlose Bücher