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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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Glauben. Ja, ich denke man kann sagen, dass für ihn die Vernunft als absolutes Prinzip galt.«
    »Und das war so schlimm?« Laetitias Wangen glühten, denn der Kampf um Thesen zu Theologie und Glauben fesselte sie beinahe genauso wie das, was sie von Karolina über die Heilkräfte der Natur gelernt hatte.
    »Na ja, ob das schlimm ist, weiß ich nicht zu beurteilen. Was ich aber weiß, ist, dass die Verehrung der Vernunft vielen Männern der Kirche Angst macht. Sie fürchten, dass der Mensch, dem die Vernunft gilt, keinen Platz mehr für den Glauben oder für Gott findet. Sie erkennen nicht, dass alles Wissen zu Gott führt und haben stattdessen Angst, dass der wissende Mensch sich von Gott abwendet. Und wenn Gott beiseite gedrängt wird, wo bleibt dann die Kirche?«
    »Und diese Angst wurde Petrus Abaelardus zum Verhängnis?« Laetitia starrte Karolina erschrocken an.
    »Ich glaube ja. Konkret das Genick gebrochen haben ihm allerdings seine ›neunzehn Irrtümer‹, die ihm Bernhard von Clairvaux nachwies, sodass das Konzil von Sens ihn der Häresie anklagte.«
    »Bernhard hat seine Lehre analysiert und widerlegen können?«
    »Lasst es mich so sagen: Bernhard hat Behauptungen aufgestellt, die gegen Petrus Abaelardus Thesen sprachen, und Petrus hat man vorenthalten, seine Thesen zu verteidigen. Stattdessen wurde er in Sens aufgefordert, sie unkommentiert zu widerrufen.«
    »Aber das war doch ungerecht!«
    »Ja, das war ungerecht. Genauso sah Abaelardus das auch und zeigte sich um nichts in der Welt dazu bereit.«
    »Und dann?«
    »Um der Verurteilung zu entgehen, drehte er sich auf der Stelle um und verließ das Konzil.«
    »Damit wollte er der Verurteilung entgehen? Nach dem Motto: Wenn ich nicht da bin, kann mich einerseits keiner zum Widerrufen meiner Thesen zwingen und andererseits auch nicht der Ketzerei verurteilen?«
    »Genau. Schnurstracks machte er sich auf den Weg nach Rom, um bei Papst Innozenz vorzusprechen. Er hoffte, dass der Papst sich gleichermaßen über die ungerechten Methoden in Sens entrüstete.«
    »Und das tat der Papst nicht?«
    »Es war bereits zu spät. Noch vor Abaelardus erreichte Bernhard von Clairvaux die ewige Stadt und brachte Innozenz dazu, die Verurteilung Abaelardus’ zu bestätigen.«
    »Dann ist Abaelardus quasi auf das Betreiben Bernhards hin verurteilt worden?«
    »Ja, das kann man durchaus so sagen. Es war sicher nicht Bernhards Sternstunde und ich zweifle daran, dass die Geschichtsschreiber ihn irgendwann wegen dieses Verhaltens rühmen werden. Es gibt sogar böse Zungen, die behaupten, dass Bernhard der Neid trieb.«
    »Der Neid?«
    »Schaut, Bernhard ist ebenfalls ein brillanter Kopf. Er glüht in seinem Glauben an Gott und gleichzeitig brennt in ihm ein beispielloser Ehrgeiz. Wenn man es genau nimmt, ist er es, der die Fäden der Kirche in der Hand hält, nicht der Papst. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass Bernhard niemanden neben sich dulden wollte, der ihm im Geist ebenbürtig war – so wie Petrus Abaelardus.«
    Viel mehr erzählte Karolina nicht über Petrus Abaelardus, aber was sie erfahren hatte, genügte Laetitia, um besser zu verstehen. Es empörte sie, dass man Petrus Abaelardus – egal ob seine Thesen richtig oder falsch waren – vorenthalten hatte, sich in einem gerechten Verfahren zu äußern. Das war geradewegs ein Verbrechen und wühlte Laetitia auf. Karolina, die üblicherweise sehr auf Distanz bedacht war, stellte die Schale zur Seite, stand auf und nahm sie in die Arme. »Ich weiß wohl, dass es nicht bloß die Ungerechtigkeit gegen Petrus Abaelardus ist, die Euch ereifert. Auch Ihr selbst habt Ungerechtigkeit erfahren.«
    Kaum hatte die Bibliothekarin ihren Satz beendet, brachen aus Laetitia Erinnerungen an ihre Kindheit hervor, die sie bislang ausschließlich mit Heloïse geteilt hatte. In diesem Moment fühlte sie sich ihrer neu gewonnen Freundin so nah, dass sie kein Geheimnis mehr vor ihr haben wollte. Sie berichtete Karolina vom frühen Tod des Vaters. Eine habgierige Base hatte daraufhin das Gerücht gestreut, ihre Mutter habe ihren Mann vergiftet, um allein über seine Güter zu verfügen und sich mit einem anderen zu vermählen.
    »Diese Behauptung war völlig widersinnig. Das hätte jedem einleuchten müssen, denn meine Mutter grämte sich unsäglich über den Tod meines Vaters.«
    »Trotzdem gingen die intriganten Pläne auf?«
    »Ja, man nahm die Lüge für bare Münze. Mutter wurde in den Kerker geworfen und bald schon

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