Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Sache zu helfen: »Ich habe Hinweise darauf gefunden, dass Burkhard jemanden erpresst hat. Habt Ihr eine Ahnung, gegen wen er etwas in der Hand hielt? Ihr müsst mir alles sagen, was Ihr wisst – nichts ist unwichtig!«
Margund zog eine Grimasse. »Keine Ahnung, ob er jemanden erpresst hat«, murmelte sie missmutig. »Zwar hat er immer wieder von einem Schuft gesprochen, dessen Machenschaften er schon irgendwann ans Licht bringen würde, doch genaueres hat er mir gegenüber nie erwähnt. Allerdings tat er sehr vertraut mit Gerwin, diesem Heuchler, der regelmäßig zu ihm kam und sich bezahlen ließ für seine Schnüffeldienste. Mehr als fürstlich ließ er sich entlohnen.«
»Gerwin?«
»Ja, Gerwin, der hinterlistige Kerl. Er ist einer der Gehilfen von Balderich.«
»Wer ist Balderich?«
»Natürlich, Ihr seid ja fremd in der Stadt. Ihr könnt das nicht wissen. Der Erzbischof hat einen Mann aus Paris an die bischöfliche Kurie gebracht. Nicht allein die Leitung seiner Domschule hat er ihm anvertraut, sondern ihn auch angehalten, die wichtigen Ereignisse aus seinem Leben und natürlich des Bistums sorgfältig zu Papier zu bringen.«
»Und das ist dieser Balderich.«
»Ja, ein sehr angesehener Mann, was man hingegen von seinem Gehilfen, diesem wieselgesichtigen Widerling Gerwin, nicht behaupten kann. Ein bleicher Geselle, der ohne jeglichen Respekt in allen Winkeln der Stadt umherhuscht und lauscht. Zum Glück ist er so ungeschickt, dass man ihn früher oder später in jedem Versteck bemerkt.«
Unwillkürlich musste Laetitia an den Kerl in geistlichem Habit denken, der sie unsanft beiseite geschoben hatte, als sie die Tür zum Zehnthaus öffnete. Wieselartig war er hineingehuscht und hatte sich rücksichtslos einen Platz in der ersten Zuschauerreihe erkämpft.
»Gerwin füllte sich die Taschen, in dem er Burkhard mit Wissen versorgte, mit Dingen, die er an Alberos Hof aufschnappte oder in den Chroniken, die sein Meister Balderich niederschrieb, gelesen hatte.«
»Um was ging es dabei genau?«
»Das ist mir nicht bekannt. Wohl aber kann ich beschwören, dass Burkhard nichts zu teuer war. Mit vollen Händen hat er Gerwin das Geld hinterhergeworfen.«
Burkhards Wesen nahm in Laetitias Geist keine greifbare Kontur an. Es gelang ihr einfach nicht, sich ein konkretes Bild von ihm zu machen. Und so lange er ihr fremd blieb, kam ihr die Suche nach seinem Mörder wie ein hilfloses Tasten im Nebel vor. Sie musste mehr über ihn erfahren. »Die Leute erzählen, dass sich Burkhard seit dem Tod seiner Söhne sehr verändert hatte. Habt Ihr das auch so empfunden?«
»Ja, das kann man getrost sagen.«
»Wie hat sich diese Veränderung denn ausgedrückt?«
»Wie soll ich Euch das beschreiben? Zu Beginn war da eine tiefe, lähmende Trauer. Aber bald schon verwandelte sich diese hilflose Traurigkeit in Hass, glühenden, alles verzehrenden, gotteslästerlichen Hass. Einen Hass, der Burkhard – wie er persönlich sagte – den Schlaf raubte und in den Eingeweiden brannte.«
Aus Margunds Schilderung erfuhr Laetitia, dass die Verbitterung einen solchen Raum in Burkhards Wesen eingenommen hatte, dass sie alle vormals guten Charakterzüge erdrückte. Die Leute rückten von ihm ab und aus dem früher geselligen Menschen wurde ein einsamer Mann, der nicht nur seine Freunde verlor, sondern sich sogar Feinde schuf. Dies erleichterte Laetitia in gewisser Weise, denn wenn Burkhards Zwistigkeiten stadtbekannt waren, erklärte sich das fehlende Erstaunen in Karolinas Miene, als sie von Burkhards Ermordung erfuhr. Es hatte Laetitia verwirrt, keinerlei Schrecken oder Verwunderung im Gesicht der Nonne zu sehen. Ja, sogar ein seltsamer Verdacht war deswegen in ihr aufgekommen, ein Verdacht, dessen sie sich jetzt schämte. Dass ein solcher Wirbel um Burkhards Ermordung entstand, obwohl er zu Lebzeiten derart mit den Menschen angeeckt war, konnte sich Laetitia lediglich durch seinen Reichtum erklären. Sein Gold machte gewogen und sorgte dafür, dass Burkhards Einfluss unter den Adligen und Reichen ungebrochen geblieben war.
»Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie schrecklich es mit anzusehen war, was mit Burkhard geschah.« Margund vergrub ihr Gesicht in den Händen. Offenbar tat ihr die Erinnerung an die Hilflosigkeit, mit der sie Burkhards Wandlung beobachten musste, noch immer weh. Stille senkte sich über den Kerker. Nur das widerliche Geraschel der Ratten war zu hören.
Laetitia gab dem Mädchen Zeit, sich wieder zu fangen. Nach
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