Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
lass’ ich Euch in Frieden. Erinnert Ihr Euch auch, ob im Oktober vor drei Jahren Fremde in der Stadt waren? Ich meine, hoch angesehene Fremde.«
Ansgar hob die Brauen. »Auch diese Frage höre ich heute nicht zum ersten Mal und ich kann sie tatsächlich bejahen. Ja, obwohl unsere Stadt sehr schwere Zeiten durchlebte, ehrten einige Templer Trier mit ihrem Besuch.«
Kapitel 12
Es dämmerte schon, als Laetitia am Abend des neunten November gemeinsam mit Karolina das Anwesen von Edgar von Falkenstein betrat. Zu beiden Seiten des Weges zum stattlichen Wohnturm, der die Mitte des Gehöftes einnahm, waren brennende Fackeln aufgesteckt. Musikanten entlockten ihren Instrumenten Rebec, Schalmei oder Tambour fröhliche Klänge. Wie klug von Sebastian, seinen Vater dazuzubringen, alle hochgestellten Persönlichkeiten Triers zu einem Fest zu laden. Hier würde sich für Laetitia hoffentlich Gelegenheit finden, unter vier Augen mit Wilhelm zu sprechen, der unter den Gästen gewiss nicht fehlte. Die Zeit drängte. Am Vorabend hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, dass der päpstliche Hof bereits Verdun erreicht hatte. In einem prunkvollen Zug, wie ihn die Gegend noch nicht erlebt hatte, war man in die Stadt eingeritten. Zunächst stand dort die Einweihung der neuen Kathedrale im Rahmen einer feierlichen Zeremonie an, doch gleich im Anschluss würde sich Papst Eugen mit seinem Gefolge nach Trier aufmachen. Das Urteil über Margund musste zuvor gesprochen sein.
Sie werde sich gegenüber Wilhelm sehr vorsichtig äußern müssen, was die Verdachtsmomente gegen Rupert betrifft, sagte sich Laetitia im Stillen. Um gegen eine solch angesehene Persönlichkeit Anschuldigungen zu erheben, brauchte es viel Fingerspitzengefühl. Doch wenn sie Wilhelm überzeugen konnte, sich zumindest ihre Überlegungen anzuhören, war ein erster Schritt getan. Ob Rupert auch eine Einladung erhalten hatte? Eine zittrige Ungeduld erfasste Laetitia bei diesem Gedanken. Einerseits böte sich ihr dadurch eine unverfängliche Gelegenheit, ihm gehörig auf den Zahn zu fühlen. Andererseits würde es ihr womöglich misslingen, ihren Verdacht im Verborgenen zu halten.
Was, wenn Rupert merkte, dass sie ihm durchaus einen kaltblütigen Mord zutraute? Ein beklemmender Gedanke. Wenn der Templer wirklich die Schuld an beiden Verbrechen auf sich geladen hatte – ja, sogar den Verrat in der Maximiner Fehde begangen hatte – , würde er kaum davor zurückschrecken, auch sie zum Schweigen zu bringen.
Karolina, der Laetitias Unruhe natürlich nicht verborgen blieb, warf ihr immer wieder prüfende Blicke zu. Die Frage, ob Rupert zu den Tempelherren gehörte, die Trier vor drei Jahren besucht hatten, hatte Karolina nicht beantworten können. Aber diese Frage würde sie heute direkt an Rupert richten – natürlich völlig unverfänglich formuliert. Darüber hinaus wollte sie sich nach etwaigen Kontakten zu Petrus Abaelardus erkundigen, ganz beiläufig, verstand sich. Und nicht zu vergessen: Wie war es um das Siegel des Geschlechts derer ›de Bourg‹ bestellt? Da Rupert ständig sein Templeremblem auf der Brust trug, erlaubten sich bis dato keine Rückschlüsse darauf. Das Wappenbuch hatte leider keinen Aufschluss gegeben, aber legte der Name ›de Bourg‹ nicht geradezu nahe, einen Turm als Wappenbild zu wählen?
Auf der Türschwelle erschien Sebastian und begrüßte einen feisten Mann in blauem Mantel. Eine heiße Röte schoss Laetitia ins Gesicht. Ihr ging durch den Kopf, dass sie von Glück sagen konnte, überhaupt von Edgar eingeladen worden zu sein. Seinem Sohn war sie auf diesem Fest wohl kaum ein besonders willkommener Gast, nachdem sie ihm eine schallende Ohrfeige verpasst hatte. Warum hatte sie auch so heftig reagiert? Es wäre klüger gewesen, etwas Besonnenheit an den Tag zu legen. Laetitia schöpfte tief Atem und folgte Karolina mit vor Aufregung klopfendem Herzen in einen herrlich geschmückten Saal, der in warmem Kerzenlicht glänzte. Die Wände hallten vom Gespräch und Lachen der anderen Gäste wider, die sich in vornehmstes Tuch gehüllt hatten. Alle hochgestellten Persönlichkeiten der Stadt hatten sich zu dem prachtvollen Fest eingefunden. Nicht einmal der Erzbischof, der gestern nach Trier zurückgekehrt war, fehlte.
Laetitia spürte deutlich die Blicke der Männer, die ihre hellen Augen und ihr blondes Haar betrachteten. Sie bereute nun, das auffallende Kleid aus fließendem hellblauem Stoff angezogen zu haben, das Karolina
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