Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
Vom Netzwerk:
die unter dem Gesims den Schwung der Fenster nachahmten, erheblich bei. Wie herrlich sich das alles ausnehmen musste, wenn der Nebelschleier sich auflöste und uneingeschränkte Sicht ermöglichte.
    Laetitia ließ sich vom Pferd gleiten. Aus allen Richtungen vernahm sie Baugeräusche, die ihren Widerhall in den Mauern fanden. In jedem Winkel war man eifrig am Werkeln, denn bald schon näherte sich der große Tag. Der Papst selber, so ging das Gerücht durch die Gassen von Trier, würde sich die Ehre geben, die Kirche einzuweihen. Laetitia erinnerte sich an die Aufzeichnungen, die die Einnahmen auflisteten, die durch den Pilgerstrom bald lebhaft zu sprudeln beginnen würden. Ausschließlich ein Mann mit der Besonnenheit und Erfahrung Wilhelms besaß die erforderlichen Qualitäten, um dem Ansturm der Pilger und der daraus resultierenden Gelder Sorge zu tragen. Laetitia verstand Alberos Präferenz für Wilhelm, doch missfiel sie ihr auch gleichermaßen. Es musste doch jedem geradezu ins Auge springen, dass Wilhelm keinerlei Lust verspürte, sich diese großartige Chance durch eine sich ewig hinziehende Anhörung verderben zu lassen. Nicht auszudenken, was Margund erwartete, wenn sich Wilhelm wegen anderweitiger Pflichten zu einem vorschnellen Urteilsschluss hinreißen ließ.
    Ein scharfer Ruf riss Laetitia aus ihrer Überlegung. Die Stimme gehörte einem Steinmetz, der zwei Burschen in blauen Kitteln Anweisungen erteilte. Die beiden waren damit beschäftigt, das letzte noch unfertige Doppelfenster mit einer Fassung aus rotem Sandstein zu ummauern. Doch taten sie dies offenbar nicht zur Zufriedenheit des Baumeisters, der sie heftig schalt. Kein Wunder, dass er die Sache sehr gewichtig nahm. Ihm kam es auf jeden Handstreich an, damit die Ausgewogenheit des prächtigen Bauwerks nicht gestört wurde.
    Ihr Pferd am Zaumzeug führend ging Laetitia am Kirchenbau entlang nach rechts. Hier schlossen sich nach Süden hin vier Abteigebäude an, die quadratisch aneinandergefügt waren, sodass sich in ihrer Mitte ein Innenhof bildete. Ohne zu zögern, klopfte sie an die Pforte, erst höflich, dann in ein ungeduldiges Pochen übergehend, denn schließlich galt es, die Geräusche der Bauarbeiten zu übertönen. Trotzdem dauerte es unerträglich lang, bis die Tür sich endlich auftat und ein unter der Last der Jahre gebeugter Mönch vor ihr stand, dem sie in die halbtauben Ohren brüllen musste, dass sie Ansgar zu sprechen wünschte.
    »Ich kann kein Weib ins Gebäude einlassen. Aber im Kreuzgang könnt ihr warten. Nach dem Pferd kann einer der Knechte sehen«, murmelte der Alte und geleitete sie schlurfenden Schritts in den Kreuzgang. Deutlich wie an keinem Ort zuvor spürte Laetitia hier die Trostlosigkeit der Jahreszeit. Umgeben von Säulen, zwischen denen sich letzte Fetzen des sich lichtenden Nebels verloren, reckten herbstmüde Sträucher ihre kahlen Zweige in die Luft. Nach wenigen Minuten erschien ein mittelgroßer Mann, gekleidet nach Sitte des Benediktinerordens. Um seine Beine herum strichen unentwegt zwei gefleckte Katzen, die auch nicht wichen, als Laetitia ihm die Hand reichte.
    Ansgars Augen waren von einem tiefen Braun und blickten sie freundlich aus einem über und über mit Sommersprossen gesprenkelten Gesicht an. Die lachenden Worte, mit denen er die Anhänglichkeit der von ihm offenbar sehr geliebten Katzen kommentierte, halfen Laetitia bei der Überwindung ihrer Scheu. »Verzeiht, dass ich Euch störe, aber ich bräuchte Eure Hilfe. Es geht um die Fehde, genauer gesagt um die Schlacht, damals vor drei Jahren.«
    »Die Oktoberschlacht? Warum interessiert Ihr Euch dafür? Habt Ihr damals einen lieben Menschen verloren?«
    »Nein, das nicht. Trotzdem muss ich erfahren, was Ihr beobachtet habt. Die Leute sagen, dass Ihr es wart, der Heinrichs Truppen bemerkt hat, als sie nach dem ersten schrecklichen Angriff erneut gegen die Stadt zogen.«
    »Mein, Kind, die Ereignisse liegen doch schon so lange zurück. Wollt Ihr sie nicht ruhen lassen?«
    »Glaubt mir, ich frage nicht aus Neugier, sondern um des Lebens eines Menschen willen.«
    »Um des Lebens eines Menschen willen?« Ansgars Augen trübten sich. Er nahm eine der Katzen auf den Arm und strich ihr über den Kopf. Dabei gewann Laetitia den Eindruck, dass er durch das Kraulen des Tieres sein eigenes Herz zu beruhigen suchte.
    »Damals, als Heinrichs Truppen zurückkehrten und gegen die Brücke zogen«, setzte sie fort, »da waren die Tore unbesetzt, nicht

Weitere Kostenlose Bücher