Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
kindlicher Dankbarkeit erwiderte dieser das Lächeln, während er in übertriebener Manier den Kopf schüttelte.
»Da wisst Ihr fürwahr mehr als ich. Wir wollen den Gerüchten nicht zu viel Bedeutung beimessen, sondern uns lieber gedulden, bis Albero seinen Entscheid verkündet.«
Obschon Laetitia Sebastians Schmeichelei sehr dick aufgetragen fand, war ihm eines unleugbar gelungen: Er hatte Wilhelm in eine gehobene Laune versetzt. Es gab wohl niemanden am Tisch, der trotz seiner bescheidenen Worte nicht den Stolz in seiner Stimme herausgehört hätte. Vermutlich hatte Sebastian damit nur das Terrain bereiten wollen, um Wilhelm zugänglicher für seine Argumente zu machen, sobald die Rede auf die Verbrechen kam. Neugierig darauf, wie er den Bogen vom Geplänkel über die Matthiasverehrung hin zu den Verbrechen spannen wollte, sah sie sich schon bald positiv überrascht.
»Die Entscheidung des Erzbischofs wird zweifellos noch gefällt, bevor der päpstliche Hof in Trier eintrifft«, fuhr Sebastian fort. »Das bringt Euch leider in ein gewisses Dilemma, nicht wahr? Einerseits ist natürlich wichtig, diese leidige Geschichte um den Mord an unserem ehrwürdigen Burkhard baldigst zu beenden. Denn Euer Rücken soll ja wieder frei werden, damit Ihr Euch neuen Pflichten stellen könnt. Andererseits zwingt Euch der Tod der Hure Brigitta, Raum für weitere Nachforschungen zu eröffnen. Durch die neuerliche Tat erweisen sich einfach zu viele Anzeichen, die die Katharerin entlasten.«
Ein Lid verdrossen zugekniffen, brummte Wilhelm nur. Ihm wurde wohl bewusst, dass Sebastian ihm nicht ohne ein verborgenes Ansinnen Honig um den Bart geschmiert hatte. »Nun«, entgegnete er, »wir wollen nicht außer Acht lassen, dass einer solch gottlosen Person wie dieser stadtbekannten Hure jederzeit und allerorts etwas zustoßen kann – bei dem Lebenswandel, den sie führte. Dem sollte man nicht zu viel Bedeutung beimessen. Vor allem, da ihren Tod sehr sonderbare Umstände begleiteten. Gleich einen Zusammenhang zu dem Mord an Burkhard herzustellen oder gar den Rückschluss zu ziehen, diese Katharerin sei unschuldig, scheint mir etwas gewagt.«
Diese Argumentation stand auf wackligen Beinen, wie Laetitia fand. Nachdem sonnenklar war, wie sehr Wilhelm persönlich von einem schnellen Abschluss des Verfahrens profitierte, schrie sie geradezu danach, infrage gestellt zu werden. Auch Karolina schien in dieser Richtung zu denken, denn prompt reagierte sie. Ihre grauen Augen blitzten wie die kalte Schneide eines Schwertes: »Verehrter Wilhelm, so sehr wir auch verstehen, dass Ihr an einer raschen Beendigung dieser unglückseligen Mordsache ein weitaus größeres Interesse als jeder andere Bürger von Trier zeigt, wollen wir nicht vergessen, dass Albero nicht nur ein rasches sondern vor allem weises Urteil erwartet. Entlastet nicht der gewaltsame Tod einer Augenzeugin die Delinquentin Margund? Der Mörder musste Brigittas Aussage fürchten – egal, wie viel Schuld sie aufgrund ihres sündigen Lebenswandels auf sich lud. Seid Ihr nicht zur Bereitschaft verpflichtet, den Bösewicht in einer anderen Person als Margund zu suchen?«
Gerwin senkte, erschrocken über Karolinas Vorwurf gegen Wilhelm, den Kopf und widmete sich den erlesenen Speisen mit einem solchen Eifer, als suche er auf seinem Teller nach Goldstücken. Noch bevor Wilhelm, der die Lippen kräuselte, etwas entgegnen konnte, stieg Rupert mit einer Heftigkeit, die Laetitias Misstrauen gegen ihn ins Unendliche steigerte, ins Gespräch ein: »Es gibt keinerlei Grund, den Tod der Hure in irgendeiner Weise als entlastend für diese Katharerin zu werten«, tönte es scharf aus seinem Mund. »Besonders weil sich neuerliche Erkenntnisse, von denen Ihr noch gar nichts wisst, aufgetan haben. Sie sprechen eine ganz eindeutige Sprache. Sicher wird Wilhelm bereit sein, sie bei der nächsten – und hoffentlich abschließenden – Anhörung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.«
»Ich bin geneigt, Euch zuzustimmen. Ich werde diese neuen Erkenntnisse baldigst mit den Betreffenden teilen, doch jetzt ist dazu nicht der Moment«, nickte Wilhelm. Dann griff er nach seinem Becher, senkte seinen Blick hinein und tat einen tiefen Zug. Für ihn war damit am heutigen Abend das letzte Wort in dieser Sache gesprochen.
Der Unmut, der sich auf Sebastians Gesicht spiegelte, war nichts gegen Laetitias Enttäuschung. Wenn sie nur wüsste, welche neuen Erkenntnisse sich ergeben hatten. Zornig
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