Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
wahr?«
»Immer schon wusste ich, dass irgendwann jemand wieder mit dieser Geschichte auf mich zukommt, einer Geschichte, die ich am liebsten vergessen würde. Doch überrascht mich ausgesprochen, dass es nach so langer Zeit an einem einzigen Tage – ja, in einer einzigen Stunde – gleich zwei Mal geschieht.«
Laetitia durchzuckte es. Gerwin! Hatte sie es doch geahnt. Er war auf derselben Fährte wie sie selbst, doch wenn sie sich seine Geldgier vor Augen führte, mochten ihn wohl völlig andere Motive antreiben. Die Katze streichelnd setzte sich Ansgar langsam in Bewegung. Laetitia folgte ihm auf seinem Spaziergang durch den Kreuzgang.
»Schrecklich Träume quälen mich seit den Geschehnissen im Oktober vor drei Jahren so manche Nacht. Unerklärlich bleibt mir bis heute, dass der Späher die Pläne des Grafen von Luxemburg nicht voraussah. Immer wieder sage ich mir, dass er es doch beobachtet haben müsste: Nämlich, dass Heinrich sich mit seinem Trupp nicht in Richtung Norden aufmachte, sondern sich nur ein Stück weit zurückzog und im Westen vor der Stadt verharrte. Das Nachtlager, das die Soldaten in den nahen Hügeln aufschlugen, hätte der Späher trotz des Nebels entdecken müssen . Und dann das Wiehern der Pferde am Waldrain! Noch jetzt fällt mir schwer zu begreifen, wie er das überhören konnte!«
»Und niemand verlor das Vertrauen in den Späher? Ich meine nicht das Vertrauen in seine Fähigkeiten, sondern das in seine Treue! Immerhin wäre doch möglich, dass er die Seiten wechselte? Ist niemand auf die Idee gekommen, dass er vielleicht die Hand aufgehalten hat?«, wollte Laetitia wissen.
Ansgar blieb stehen und auf seinem Gesicht spiegelte sich der Ausdruck von Ratlosigkeit. Die Katze begann auf seinem Arm zu rebellieren. Er beugte sich herab und entließ das Tier, das sich mitsamt seinem Artgenossen auf die Jagd nach Mäusen machte. Ansgar schien unschlüssig, ob er seine Gedanken wirklich mit Laetitia, einer ihm Unbekannten, teilen sollte. Sie war fremd in der Stadt und wer wusste schon etwas über sie. Nachdem der Mönch sie prüfend gemustert hatte, antwortete er langsam, seine Worte sorgsam wägend. »Nun, schon. Andererseits stellte sich die Frage, wie der Bursche jemals in Kontakt mit dem Luxemburger Grafen oder seinen Leuten gekommen sein sollte. Zeit seines Lebens ist er, wenn es nicht gerade etwas auszukundschaften gab, nicht weit über den Umkreis von Trier hinausgelangt, aber … «
»Aber was?«, drängte Laetitia mit blitzenden Augen. Deutlich spürte sie, dass aus Ansgar alles andere als Überzeugung von des Spähers Loyalität sprach und nur die Vorsicht ihn mahnte, frei zu reden. Jeder einzelne Muskel im Gesicht des Mönchs verriet, dass ihn Zweifel hin und her rissen. »Nun, Albero hatte an mehreren Fronten zu kämpfen. Damit will ich sagen, dass die hiesigen hochgestellten Herren nicht uneingeschränkt hinter ihm standen. Nicht etwa, um im Gegenzug Heinrich von Luxemburg zu unterstützen. Keineswegs! Aber es gab schon den ein oder anderen, der sich redlich mühte, Alberos Macht nicht ins Unendliche wachsen zu las…«
»Und Ihr meint, so einer hätte den Späher bestechen können, damit er einen falschen Bericht erstattete?«, fiel ihm Laetitia ins Wort.
»Natürlich will ich nichts behaupten«, wehrte Ansgar sofort ab, »aber ausgeschlossen ist es nicht. Schaut, während der Fehde gab es erwiesenermaßen Machenschaften, die Alberos Erfolge untergruben. Als er beispielsweise die Burg auf dem Rudolfsberg aushungern wollte, schafften unzuverlässige Verbündete heimlich Vorräte hinein. Auch der Wurfgeschützmeister, der für die Beschießung der Burg verantwortlich war, wurde nachweislich bestochen. Damit konnte sich das Castrum unerträglich lange gegen Alberos Angriff zur Wehr setzen.«
»Kann denn nicht auch bei der Oktoberschlacht Geld geflossen sein?«
»Das mag ich nicht wirklich glauben. Bedenkt, dass wir bei der Oktoberschlacht von einer Sache ganz anderer Dimension reden. Hier ging es nicht nur um eine Burg, deren Eroberung ein paar Wochen länger in Anspruch nahm. Nein, hier ging es um Trier, unsere Heimat, die eigenen Söhne. Könnte wirklich jemand einen Verrat solchen Ausmaßes begehen? Eine derart ruchlose Tat?«
»Das wäre doch nicht das erste Mal! Wieso hat sich niemand sofort den Späher geschnappt, um ihn zur Rede zu stellen? Es hätte doch Mittel und Wege gegeben, den Kerl zum Sprechen zu bringen!«, entrüstete sich Laetitia.
»Nun, ich habe es ja
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