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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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bereit und riss zum zweiten Mal binnen weniger Sekunden die Augen auf. Er wich zurück und begann, eine Entschuldigung zu stottern.
     
    Alun hatte den großen offenen Raum erreicht. Es war kalt und dunkel hier, doch er konnte einen zertrümmerten Stuhl erkennen, und am anderen Ende stand eine Tür offen. Er hörte Kampflärm und Rufe. Sein Schwert hing schlaff in seiner Hand. Er hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte. Wenigstens begriff er jetzt den Blick, mit dem Hirad ihn gemustert hatte, als er über das Wüten gesprochen hatte. Es war keine Verachtung gewesen, sondern eher Sorge. Und ein Mangel an Vertrauen in ihn. Er setzte sich, am ganzen Leib zitternd, auf einen dick gepolsterten Stuhl.
     
    Travers wartete nicht ab, wie es ausging. Er torkelte durch den schmalen Gang zurück und öffnete die Tür, die zum Hauptgang im oberen Stockwerk führte. Kaum dass er
draußen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, wurde er angegriffen. Wie ein Pfeil schoss etwas von der Treppe direkt vor ihm auf ihn zu. Lederne Flügel flatterten, der stachlige Schwanz zuckte, Zähne bissen ihn. Klauen wurden in sein Haar geschlagen, und der Schwanz wickelte sich um seinen linken Arm. Dann erschien das Gesicht verkehrt herum direkt vor seinem eigenen. Es war nicht größer als ein Affe auf dem Jahrmarkt.
    Er wich zurück, doch das Gesicht folgte ihm. Er hätte schwören können, dass es lächelte, doch es war gewiss nicht menschlich. Er wusste genau, dass es nicht menschlich war, und der Gestank seines Atems jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Und doch konnte er die Augen nicht abwenden.
    Es war völlig unbehaart, die Kopfhaut war straff und schimmernd, das Gehirn pulsierte im Schädel und ließ wellenförmige Bewegungen über das Gesicht laufen. Es legte den Kopf ein wenig schief, und nun lächelte es tatsächlich und entblößte nadelscharfe Zähne, die sich nahtlos ineinander fügten, als der Mund geschlossen wurde. Vorher aber war die lange, spitze Zunge herausgezuckt und hatte über Travers’ Mund geleckt.
    Er dachte, er müsste sich übergeben, doch die Augen hielten ihn in ihrem Bann. Sie waren schwarz und in den ovalen Knochenhöhlen tief eingesunken. Fremdartig waren sie. Tief genug, um hineinzustürzen und in einem Abgrund der Angst zu ertrinken. Travers schlug das Herz bis zum Halse, als er das Wesen anstarrte, dessen flache Nasenschlitze die Luft einatmeten, während die winzigen Ohren beim leisesten Geräusch zuckten.
    Dann nahm es die Hände herunter und packte seine Wangen, die Klauen bohrten sich tief in die Haut, bis es blutete. Das Gesicht kam näher und blies ihm den stinkenden
Atem in die Augen. Er blinzelte und wollte sich abwenden.
    »Komm«, sagte es. Es war ein leises Krächzen wie bei einem alten Mann, doch es war voller Bosheit. Travers schauderte und wand sich und bemühte sich verzweifelt, sich nicht zu übergeben. »Komm mit mir.«
    »Wohin?«, quetschte er hervor. Wieder lächelte es. Ein entsetzlicher Anblick. Travers schloss die Augen, aber es war noch da, eingebrannt in sein Bewusstsein.
    »Mein Meister will dich sehen. Es ist nicht weit. Geh.« Das Gesicht verschwand, doch die Krallen wurden fester in seine Wangen gepresst. Der Schwanz umklammerte jetzt seinen rechten Arm und hielt ihn hoch, damit er das Schwert nicht erreichen konnte. Der Unterarm hing quer vor seinem Gesicht.
    Travers begann zu laufen. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass dieser Gang der letzte seines Lebens werden sollte.
     
    Alun kam schlagartig wieder zu sich und erschrak mit einer Heftigkeit, dass sich alles in seinem Kopf zu drehen schien. Über sich konnte er Kampfgeräusche hören, und er hörte Männer sterben. Einige von ihnen kämpften und starben für ihn. Seine Kinder waren hier. Seine Frau war hier.
    Er stand auf, und ein Zorn, so rein wie der Kuss einer Jungfrau, durchströmte seinen Körper. Er wollte jemanden für die Qualen und den Verlust, den er erlitten hatte, bezahlen lassen. Die Tage waren ihm wie eine Ewigkeit erschienen. Doch jetzt sollte alles enden, und sein Schwert sollte endlich das Blut eines Feindes spritzen lassen.
    Sie wurden oben festgehalten, so viel war sicher. Er rannte zur offenen Tür und lief die Treppe hinauf. Oben hielt er kurz inne. Am anderen Ende des Ganges war jemand, der in
seine Richtung kam und etwas auf seinem Kopf trug. Er rannte ihm entgegen, doch der Mann schien ihn nicht einmal zu sehen. Wieder blieb er stehen und hob sein Schwert, um zu kämpfen,

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