Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
und suchte nach einem Ausgang, doch alle Türen des Raumes waren verschlossen.
»Was ist los?«, sagte Hirad. »Das Biest hat ihn angefressen, ich habe es doch gesehen.«
»Hirad, bitte«, keuchte Ilkar. Er war auf einem Stuhl zusammengebrochen und hatte große Mühe, bei Bewusstsein zu bleiben. Die Schmerzen in seiner Brust und in den Beinen waren noch stärker geworden, die inneren Blutungen hatten wieder eingesetzt, und er brauchte Ruhe, um sich selbst zu heilen. »Es gibt Dinge, die du nicht weißt, aber die müssen warten. Ich fühle mich nicht sehr gut.«
»Dann sage mir, was ich tun soll. Ich kann doch helfen.«
»Bewache uns und lass uns in Frieden und spare dir deine Fragen. Wo sind die anderen?«
Hirad holte tief Luft und nickte. »Wir haben ein paar neue Leute getroffen. Sie wollen hier eine Frau retten. Wir wüten. Die Burg wird uns in ein paar Minuten gehören.«
Ilkar ließ sich unter Schmerzen auf den Boden nieder und legte sich neben Denser. »Gut«, sagte er. »Gut.« Er schloss die Augen, gerade als die gegenüberliegende Tür wieder geöffnet wurde. Die Katze ergriff ihre Chance und rannte hinaus. Hirad richtete sich auf.
»Isman.«
»Hirad.«
Jandyr hätte gelacht, wäre der Anblick, den er vor sich sah, nicht so bejammernswert gewesen. Der Mann lag mitten auf dem mit Blut verschmierten Boden. Sein Mund war offen, und er bewegte sich nicht. Seine Waffe hielt er noch in einer Hand, und der Wein, den er getrunken hatte, tropfte aus dem umgekippten Kelch auf den Boden.
»Ein Mann, der sich seinem Tod nicht stellen will, ist überhaupt kein Mann«, klärte Jandyr ihn auf. Nichts rührte sich. »Tote Männer husten nicht, mein Freund. Du kannst dein erbärmliches Spiel ruhig aufgeben. Sieh mich wenigstens an.« Immer noch nichts. »Ich habe keine Zeit …« Jandyr spannte seinen Bogen.
»Bitte!« Der Mann fuhr auf und setzte sich. »Ich will nicht …«
»Wie ich schon sagte, ich habe keine Zeit.« Er ließ den Pfeil fliegen, legte den nächsten ein, drehte sich um und lief die Treppe hinauf.
Travers lehnte sich an eine Wand des schmalen Durchgangs zum Turm und runzelte die Stirn. Der Rabe stürmte durch seine Burg. Die Kampfschreie hallten seit einer Weile durchs Gemäuer, auch wenn sie jetzt nur noch mit Unterbrechungen
kamen. Sorgen bereitete ihm die Tatsache, dass offensichtlich mehr als drei Leute angriffen. Er zuckte mit den Achseln und ging weiter durch die Tür in den Wachraum. Seine beiden Männer salutierten mit blankgezogenen Schwertern.
»Gut«, nuschelte er. »Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen. Diese Bastarde von Magiersöhnen dürfen die Burg nicht lebend verlassen. Tötet sie.«
»Sir?« Die Männer wechselten einen Blick und zögerten.
»Sie sind nicht einfach nur Kinder. Wenn die Hexe sie mit zurücknimmt, dann werden sie viel zu mächtig, und wir können sie nicht mehr kontrollieren. Kümmert euch darum.« Einer der Wächter nickte und lief eine Wendeltreppe in der Ecke des Raumes hinauf. Kinderstimmen waren zu hören, dann knallte eine Tür zu.
Thraun rannte durch den Korridor im oberen Stockwerk. Rechts gingen Fenster zu einem offenen Hof hinaus, auf den trübes Licht fiel. Von der anderen Seite drangen Kampfgeräusche herüber. Er ließ einen kleinen Durchgang zu seiner Linken aus und folgte im Laufschritt einer Biegung nach rechts. Wieder brüllte er laut. Eine Doppeltür lag direkt vor ihm. Sie sah wichtig aus. Er öffnete sie mit einem Tritt und stürmte hindurch.
Talan und Will trennten sich, als sie das obere Ende der Treppe erreichten. Links gingen Fenster zum Innenhof hinaus, den Richmond übernommen hatte. Rechts gab es einen Durchgang, weiter unten zwei Türen. Will entschied sich für den Durchgang, sah eine Tür vor sich und rannte darauf zu. Talan stürmte durch die erste Doppeltür und stand in einem großen Raum voller Betten. Die meisten waren belegt, einige nicht. Vielleicht schaffte er es.
Er baute sich zum Kampf auf, klärte seinen Geist mit einem Schrei und bleckte die Zähne. »Dann kommt mal her. Ist hier jemand, der glaubt, er könnte mich besiegen?«
Will hörte Talans Ruf und stolperte durch die Tür, die er gefunden hatte. Er zog die beiden Kurzschwerter, als er hinter der Tür in der Hocke landete. Er riss vor Schreck die Augen auf, und sein Herz setzte einen Schlag aus. Der Raum war voller Männer, und das Einzige, was er mit Sicherheit sagen konnte, war, dass keiner von denen ihn gesehen hatte. Alle
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