Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
Abgeordneten regten sich unruhig. Styliann lächelte. »Ach, nun kommt schon, meine Herren. Ich denke, wir können uns die scheinheiligen Dementis doch schenken, oder?«
»Die Spionageabteilungen der anderen Kollegien sind lange nicht so gut ausgestattet wie Eure eigene, auch wenn Euch dies überraschen mag.« Barras’ Finger hörten einen Moment lang zu trommeln auf.
»Das bezweifle ich keineswegs«, sagte Styliann. »Doch ich bin sicher, dass ein einziger guter Spion von jedem Kolleg ausreicht, um genügend Informationen zu sammeln, die geeignet sind, uns alle nervös zu machen.«
Vuldaroq tupfte sich das Gesicht mit einem Tuch ab.
»Das ist alles höchst interessant, Styliann, doch wenn Ihr nur gekommen seid, um zu bestätigen, was unsere Spione sowieso schon herausgefunden haben, dann kenne ich weitaus interessantere Beschäftigungen, um meine Zeit zu füllen.«
»Mein lieber Vuldaroq«, erwiderte Styliann so gönnerhaft, wie es das Protokoll gerade eben noch erlaubte, »ich bin gewiss nicht hier, um irgendjemandes Zeit zu verschwenden, und ganz sicher auch nicht meine eigene. Ich wäre allerdings sehr daran interessiert zu erfahren, welches Ausmaß die Aktivitäten der Wesmen nach den Meldungen Eurer Spione zu haben scheinen.« Er lachte leise und spreizte beschwichtigend die Finger. »Vorausgesetzt natürlich, Ihr seid bereit, uns solche Einzelheiten mitzuteilen.«
»Aber gern.« Heryst von Lystern antwortete als Erster. »Wir haben seit Wochen niemanden mehr im Westen, aber wir haben Hinweise auf eine Einigung der Stämme bekommen. Doch um ehrlich zu sein, ohne eine bindende Kraft in Gestalt eines Oberherrn vermögen wir dort keine echte, substanzielle Bedrohung zu erkennen.«
»Ich kann Euch in diesem Punkt nicht zustimmen«, sagte Vuldaroq. »Wir haben im Augenblick Spione im Kernland und im Mittelwesten. Wir schätzen, dass dort ein Heer von etwa dreißigtausend Mann aufgestellt wird, doch höchstwahrscheinlich wird es zu Konflikten zwischen den Stämmen kommen. Es gibt keine Hinweise auf umfangreiche Truppenverlegungen in Richtung der Blackthorne-Berge.«
»Barras?«, fragte Styliann. Sein Herz schlug schneller. Keiner von ihnen hatte es bemerkt. Vielleicht der alte Elf …
»Entscheidend ist, dass es im Westen keine echte Bedrohung gibt, ganz egal, wie groß die Streitmacht der Wesmen nun ist. Ohne die magische Unterstützung durch eine Macht, wie die Wytchlords sie repräsentiert haben – sofern
man bei den Wytchlords überhaupt von Unterstützung im üblichen Sinne reden darf –, wird es ihnen nie gelingen, uns zu unterwerfen. Ich glaube in der Tat, dass sie kaum weiter kommen würden als bis zum Understone-Pass.«
»Schließlich können die Wrethsires kaum als gleichwertiger Ersatz gelten.« Heryst kicherte.
»Nun ja, sie könnten immerhin den Wind etwas heftiger wehen lassen«, sagte Vuldaroq.
Es gab Gelächter am Tisch, doch die Vertreter aus Xetesk stimmten nicht ein. Als die anderen sich wieder beruhigt hatten, ergriff Barras das Wort.
»Vermutlich habt Ihr noch weitere Informationen, die Ihr uns mitteilen wollt, Styliann? Oder soll dies ein rein freundschaftliches Treffen werden?« Er lächelte, doch das Lächeln gefror ihm auf den Lippen, als er das harte Gesicht des Herrn vom Berge sah.
»Es hat ein Problem im interdimensionalen Raum gegeben.« Als Styliann sprach, wurde es im Zelt totenstill, einige hielten sogar den Atem an, andere rissen die Augen auf. Styliann sah langsam von einem zum anderen. Vuldaroqs Gesicht war rot vor Zorn, Heryst sah aus, als könne er nicht begreifen, was er gerade gehört hatte, und Barras trommelte heftiger den je mit den Fingern. Er war es auch, der als Erster wieder das Wort ergriff.
»Das darf ich dann wohl so verstehen, dass Ihr die Seelen der Wytchlords nicht mehr unter Kontrolle habt?«
»So ist es.« Styliann senkte den Blick und betrachtete seine Papiere. Ringsum wurden die anderen Gäste unruhig. »Deshalb habe ich dieses Treffen anberaumt. Xetesk glaubt, dass die Situation sehr ernst ist.«
»Styliann, ich denke, jetzt sollte Euch die Bühne gehören«, meinte Barras, dem die Besorgnis anzumerken war.
Styliann nickte. »Ich will mich kurzfassen. Mindestens
sechzigtausend Wesmen sind bewaffnet, vereint und bereit zur Invasion. Im Augenblick sind sie noch im Kernland stationiert und deshalb durchschnittlich zehn Tage von den Blackthornes entfernt; doch weniger als drei Tagesmärsche vom Understone-Pass entfernt werden bereits einige
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