Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
uns ein Julatsa-Magier erklären würde, wie wir es angehen müssen.«
»Wie hat er es dann schreiben können?«
»Das, Richmond, ist eine gute Frage. Und ich kenne die Antwort nicht. Vielleicht hat er mit einem Julatsaner zusammengearbeitet, aber Ilkar wird sicher gleich sagen, dass dies unmöglich sei.«
»Nicht unmöglich, aber äußerst unwahrscheinlich. Wollen wir dann?« Ilkar führte die Gefährten über den abbröckelnden Schutt und sprang die Treppe hoch auf festeren Boden, wo der Rest des Durchgangs stand. Dort drehte er sich wieder um. »Kommst du nicht mit, Talan?«
»Noch nicht. Ich denke, jemand sollte als Wachtposten draußen bleiben, meint ihr nicht auch?«
»Gute Idee.«
Ilkar drang langsam in das ehemalige Herrenhaus ein. Überall lagen zerstörte Mauerreste herum, sie bedeckten den rissigen Steinboden und machten das Gehen schwer. Sonst war nicht mehr viel übrig. Von der Mauer mit dem Kamin standen noch drei Fuß, unter dem Ruß der Flammen war ein helles Blau zu sehen. Von den Möbeln waren nur eine ovale Tischplatte, verstreute Holzstücke und ein paar Eisenteile übrig, hier und dort auch ein Streifen vom grünen Polsterbezug.
Denser machte sich daran, mit dem Stiefel den Staub und den Schutt vom Boden zu fegen, und winkte den anderen, ihm zu helfen. Der Boden hatte viele Risse, besonders an den Fugen vor den Wänden. Der mittlere Teil war versengt und geschwärzt, aber sonst in einem etwa dreißig Quadratfuß großen Bereich nicht beschädigt.
Der Dunkle Magier holte das Amulett hervor. Seine Katze stieg unterdessen vorsichtig aus dem Mantel, schlich auf
den Steinen hin und her und schnüffelte mit wachsamen Augen und Ohren ein wenig auf dem Boden herum. Denser schnalzte mit der Zunge, nahm das Amulett von der Kette und trat mitten in den frei geräumten Bereich.
»Es mag offensichtlich scheinen, aber der Eingang zur Werkstatt ist jedenfalls genau hier in der Mitte.« Er kniete sich auf den Boden und strich mit der freien Hand darüber. »Ilkar, du bist dran.« Er hielt dem Elf das Amulett hin, der es andächtig nahm und lange anstarrte, bevor er es umdrehte, um auch die andere Seite anzustarren.
»Ich hätte es mir längst gründlicher ansehen sollen, nicht wahr?«, sagte er.
»Ich habe gebetet, dass du es nicht tun würdest«, gestand Denser.
»Sagt dir das etwas?« Hirad spähte über Ilkars Schulter.
Ilkar sah sich um. »Nein, ich kann nicht viel damit anfangen. Nur dieser Teil hier …« Er deutete mit dem kleinen Finger auf eine Reihe von Symbolen, die um den inneren Ring in der Mitte des Amuletts eingraviert waren. »Das ist Julatsanisch, aber es ist ein sehr alter Text. Ein alter Stil, meine ich.«
»Natürlich«, stimmte Hirad zu.
Ilkar kicherte und klopfte Hirad auf die Schulter. »Es tut mir leid. Hör zu, die Überlieferung der Kollegien wird über Generationen weitergegeben. Du kannst sie nicht so lernen, wie du die Worte eines Spruchs lernst. Du musst, ich weiß auch nicht … du musst es wahrscheinlich über Jahre hinweg ständig aufnehmen. Deshalb konnte Xetesk es auch nicht lesen. Es ist der Code der julatsanischen Überlieferung.« Er unterbrach sich.
»Fahre fort, ich glaube, ich habe es so weit verstanden. Was hat diese Überlieferung denn nun zu bedeuten?«
»Nun, in dem Sinne, wie du es jetzt meinst, hat sie nicht
viel zu sagen. Es ist eine Methode, um die Erinnerungen des Kollegs zu speichern. Einfach ausgedrückt, lehrt mich die Überlieferung, die ich kenne, die Art und Weise, auf die ich das Mana für meine Sprüche formen muss, auch wenn es in Wirklichkeit erheblich komplizierter ist. Wenn ich den Code auf diesem Amulett entschlüsselt habe, dann wird er mir zeigen, wie mit einem Spruch der Eingang zu Septerns Werkstatt geöffnet werden kann. So sieht es jedenfalls in der Theorie aus.«
Hirad betrachtete Ilkars ernstes Gesicht und die zwischen den Augen jäh nach unten verlaufenden Augenbrauen, die sich über der Nase beinahe trafen. Er lächelte.
»Danke für die Auskunft, Ilkar. Ich glaube, dann solltest du am besten ungestört weitermachen.«
Ilkar nickte und ging zum Zentrum des Raums. Er setzte sich auf die Stelle, an der Denser den Eingang vermutete. Hirad entfernte sich ein Stück und setzte sich im Schutt an eine Stelle, von der aus er Ilkars Gesicht beobachten konnte. Ihm fiel auf, dass er sich überhaupt nicht für die Magie interessiert hatte, obwohl sie einander schon so viele Jahre kannten. Wie sie funktionierte, wer in der Magie
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