Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
finden konnten. Das allein wäre noch kein Grund gewesen. Aber die Tatsache, dass Hirad keinerlei Interesse zeigte, irgendeinen anderen Ort aufzusuchen, bevor nicht Travers und alle Männer
der Schwarzen Schwinge tot waren, war ein mehr als ausreichender Grund.
Nicht lange nach der Mittagsstunde nahm der Rabe ein entspanntes Mahl in den Ruinen von Septerns Haus ein, bevor die Männer die Pferde zur großen Scheune brachten. Hirad erklärte sich schließlich einverstanden, erst am folgenden Morgen aufzubrechen. Ilkar hatte darauf beharrt, dass sie möglichst lange bei Tageslicht reiten mussten, um dem Einflussbereich des Risses zu entkommen. Der Barbar musste denn auch zugeben, dass eine in völliger Sicherheit verbrachte Nacht, wie Septerns versiegelte Werkstatt sie ihnen bieten konnte, wo niemand Wache halten musste, wo niemand ein Feuer unterhalten und auf jedes Geräusch achten musste, eine durchaus attraktive Aussicht war.
Der Rauch des Lagerfeuers kräuselte sich zum Himmel, als der Nachmittag allmählich in den Abend überging. Richmond zerbrach einen Ast und warf die drei Teile ins kleine Lagerfeuer. Die trockenen Blätter knackten, als sie Feuer fingen. Denser, der am frühen Nachmittag den Kürzeren gezogen hatte, lehnte an einer Wand und las Septerns Tagebuch, nachdem Ilkar es durchgelesen hatte. Seine Pfeife steckte wie gewohnt zwischen den Zähnen, und sein Kopf bewegte sich nicht, während er wie gebannt die Informationen aus dem Buch aufnahm.
Schwache Geräusche aus der Werkstatt drunten verrieten ihnen, dass Densers Hausgeist immer noch in Septerns Gerätschaften und Papieren herumwühlte. Der Dunkle Magier hatte sie gewarnt, ja nicht nach unten zu steigen. Talan erkundete das Terrain und versuchte, für den folgenden Tag die Marschroute festzulegen, während Ilkar und Hirad im schwächer werdenden Sonnenschein beisammensaßen.
»Dieser Hausgeist«, sagte Hirad. »Was ist er eigentlich, wenn er keine kuschelige Katze ist?«
Ilkar schaute ihn entsetzt an. »Ich glaube, kuschelig ist wirklich nicht das richtige Wort, Hirad. Du hattest Glück, dass er dich mit seinen Krallen im Dorf verfehlt hat … und was diesen Vorfall angeht …«
»Oh, mein Gott, da haben wir es.« Hirad stellte seinen Becher auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also gut, sag es mir. Ich darf ihn nicht ärgern, weil er zu mächtig ist, richtig?«
Ilkar beäugte Denser. Der Dunkle Magier hatte den Kopf nicht vom Buch abgewandt. Der Elf sprach leise weiter, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»So ungefähr sieht es wohl aus. Hör zu … und seufze nicht so, es ist wichtig. Er ist nicht nur sehr mächtig, obwohl ich dir zugestehen will, dass du die letzte Runde gewonnen hast, er ist auch viel zu wichtig für diese ganze Sache, als dass du Streit mit ihm suchen solltest.«
»Ich habe keinen Streit mit ihm gesucht«, zischte Hirad.
»Willst du mich ausreden lassen?« Ilkars Ohren zuckten gereizt. »Da wir jetzt das gesamte Wissen haben – du weißt schon, die Worte und den Standort der Katalysatoren –, könnten wir Denser fallenlassen und es allein versuchen. Aber wie ich neulich schon sagte, er ist der Einzige, der die nötige Ausbildung hat, um Dawnthief mit einigermaßen erträglichen Erfolgsaussichten heraufbeschwören zu können. Kannst du mir folgen?«
»Was denkst du denn?«
Jetzt war es an Ilkar zu seufzen. Er schlug sich eine Hand vors Gesicht. »Also gut. Wenn du allein mit dem Schwert trainierst, dann tust du es mit einer Puppe als Gegner, ja?«
»Mit einem aufgehängten Sack oder vor einem Spiegel.« Hirad zuckte mit den Achseln.
»Aber du siehst erst im Kampf selbst, ob die Manöver, die du probiert hast, auch brauchbar sind, oder?«
»Da kann ich nicht widersprechen.«
»Und wenn du überhaupt nicht trainierst, dann kannst du auch nichts Neues lernen, oder?«
»Was wird das, eine Fragestunde?«
»Beantworte einfach meine Frage«, verlangte Ilkar. »Ich versuche, es in Begriffen auszudrücken, die du verstehen kannst.«
»Also gut.« Hirad beugte sich vor und trank noch einen Schluck Wein. »Nein, Ilkar, ich kann nur das lernen, was ich auch probiert habe, und ich käme im Traum nicht auf die Idee, im Kampf etwas zu versuchen, das ich nicht geübt habe. Zufrieden?«
»Ja, und beim Wirken von Sprüchen ist es das Gleiche. Genau das Gleiche.« Ilkar rutschte ein Stück näher, bis er direkt vor Hirad saß. »Wenn ich versuche, einen Spruch zu wirken, den ich nicht
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