Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
leicht, aber sie würden siegen. Sie mussten. Die weitere Existenz der dordovanischen Magie hing davon ab.
38
Irgendwann in der Nacht hatte Lyanna sie gefunden und war zwischen sie gekrochen, ohne sie zu wecken. Als Erienne aufwachte, war sie da, die Arme zu beiden Seiten ausgebreitet und viel mehr Platz einnehmend, als es einem kleinen, fünfjährigen Mädchen zugestanden hätte. Denser hatte sich ganz auf die rechte Seite zurückgezogen und lief Gefahr, aus dem Bett zu fallen. Erienne hatte ihren Körper völlig verdreht, um dem kleinen Mädchen Platz zu machen.
Es war ein idyllischer Augenblick, und einen Moment lang liefen Erienne die Tränen übers Gesicht, ehe sie sich zusammennahm, ihr Gesicht trocknete und im Bett nach unten rutschte. Sie stützte den Kopf auf eine Hand und streichelte mit der anderen Lyannas Wange. Im Haus war Bewegung, obwohl es noch dunkel war. Erienne nahm an, dass sie bald aufstehen mussten.
Ihr Zimmer war das erste im Flügel der Gilde und, obwohl ein wenig feucht, durchaus bequem. Zwei Protektoren hatten vor der Tür Wache gehalten, und die Fenster waren mit Läden gesichert und verriegelt. Denser
hatte zusätzlich einen Schutzspruch auf den Rahmen gesetzt. Sie waren nicht gestört worden.
Lyanna öffnete die Augen und starrte müde ihre Mutter an.
»Guten Morgen, meine Schöne«, flüsterte Erienne.
»Es ist noch dunkel, Mami.«
»Ich weiß, aber es wird heute sehr gefährlich, und deshalb möchte ich, dass du ein braves Mädchen bist.«
»Ich passe auf dich auf, Mami.«
»Oh, Liebling, ich weiß!« Erienne umarmte sie, und Lyanna klammerte sich an sie. Erienne spürte, dass ihr Kind aufgeregt war und sich Sorgen machte. Dies war nicht der richtige Ort für ein kleines Kind, und Erienne würde nie erfahren, welche Auswirkungen die kommenden Schrecken auf Lyanna haben würden. Im Augenblick wusste Lyanna nur, dass etwas nicht stimmte, dass alle Erwachsenen unter starker Spannung standen. Dadurch wurde auch das Kind unsicher und nervös.
Ein Klopfen an der Tür ließ Erienne auffahren und zerstörte den friedlichen Augenblick. Lyanna löste sich von ihr, und Erienne richtete sich auf und zog die Decke hoch, um ihre Brüste zu bedecken.
»Herein«, sagte sie.
Nerane trat ein und brachte ein Tablett mit zwei dampfenden Bechern.
»Es tut mir Leid, dass ich so früh stören muss«, sagte Nerane, »aber der Unbekannte Krieger lässt ausrichten, dass Ihr aufstehen sollt.«
Nerane lächelte, als sie die Familie sah. Inzwischen regte sich auch Denser, rollte sich herum und richtete sich grunzend auf.
»Es ist eine Schande, Euch zu stören«, sagte Nerane. »Ihr gebt ein so schönes Bild ab.«
Erienne blickte zum noch halb schlafenden Denser. Sie sah das wirre Haar, einen ungekämmten Bart und den halb geöffneten Mund. »Seid Ihr sicher?«
»Ihr wisst doch, was ich meine«, sagte Nerane. Sie stellte das Tablett neben dem Bett auf einem Tisch ab.
»Was hat der Unbekannte noch gesagt?«, wollte Erienne wissen.
»Die Dordovaner sind am Strand und dringen auf die Insel vor. Sie werden uns bald eingekreist haben. Der Schild der Al-Drechar steht, alle sind im Haus, und Ihr müsst bald hier heraus, weil der Zugang zu diesem Flügel versiegelt und blockiert werden muss.«
»Hat er Euch das alles mitgeteilt?«, fragte Denser. Jetzt erst bemerkte er seine Tochter. »Oh, hallo, du.«
»Hallo, Papi.«
»Wenigstens weiß ich jetzt, warum mein Rücken wehtut«, sagte Denser.
»Ich glaube, das hat aber nicht viel mit Lyanna zu tun«, meinte Erienne.
Nerane errötete und zog sich wieder zurück. »Der Unbekannte sagte noch, beim nächsten Mal werde er Hirad schicken, um Euch zu wecken.«
»Das motiviert mich aber ungemein«, entgegnete Denser. »Vielen Dank, Nerane. Sage ihm, es wird nicht nötig sein.«
Die alte Elfenfrau ging und schloss hinter sich leise die Tür. Denser sah Erienne tief in die Augen, und sie verspürte ein Verlangen, das sie kaum hätte unterdrücken können, wäre nicht Lyanna zwischen ihnen gewesen. Er streichelte ihre Wange, und sie ergriff seine Hand.
»Das ist es dann wohl«, sagte er.
»Ja, so sieht es aus«, sagte Erienne.
Er nickte, seine Unterlippe bebte. »Vergiss nie, wie sehr ich dich liebe«, sagte er. Es war kaum mehr als ein Flüstern.
Lyanna wand sich zwischen ihnen. »Was ist denn los, Mami?«
»Nichts, meine Liebe, nichts.«
Hirad schob das letzte Bett der Al-Drechar in der Küche in die Nähe des Herdes, wo es warm war.
»Habt ihr
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