Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
Spruch eines dordovanischen Magiers entstanden. Man war der Überzeugung gewesen, Eriennes Eiswind habe die Schwarzen Schwingen und den Stellvertreter des Hauptmanns Travers getötet, aber irgendwie hatte Selik wohl den Spruch und auch das Feuer überlebt, das der Rabe in der Burg der Schwarzen Schwingen gelegt hatte. Mit ihm hatte auch der Orden der Hexenjäger überlebt. Weniger zahlreich waren sie, aber keineswegs weniger fanatisch.
»Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der die dordovanischen Magier nicht froh wären, Euch tot zu sehen«, sagte der Erste Sekretär Berian und verzog das Gesicht zu einem gemeinen Lächeln.
»Dann muss ich Eurer Fantasie auf die Sprünge helfen«, sagte Selik. »Denn ob Ihr es glaubt oder nicht, wir sind hinter der gleichen Beute her.«
»Wirklich?« Vuldaroq zog die Augenbrauen hoch. »Es wäre faszinierend zu erfahren, wie Ihr auf diese Idee
kommt.« Schallendes Gelächter ringsum am Tisch war die Reaktion. Selik schüttelte den Kopf.
»Mir wird übel, wenn ich Euch da so selbstgefällig sitzen sehe. Ihr glaubt, niemand wüsste, was Ihr tut, und dennoch ist mir bekannt, dass Ihr etwas sehr Wertvolles verloren habt. Ihr wollt es – oder besser sie – zurückhaben. Und ich bin der Einzige, der Euch wirklich helfen kann. In der Tat, ich werde Euch helfen, weil wir in diesem Fall am gleichen Strang ziehen. Diese Magie darf nicht aufblühen, weil sie uns sonst alle vernichten wird. Ich weiß, in welche Richtung sie reist, und ich kenne mindestens einen von denen, die ihr geholfen haben.« Er hielt inne und betrachtete die Gesichter. Vuldaroq behagte das Schweigen, das auf Seliks Worte folgte, überhaupt nicht.
»Habe ich jetzt Eure Aufmerksamkeit erregt? Die Schwarzen Schwingen sehen alles, sie werden immer alles sehen. Vergesst das nicht, o mächtiges Quorum von Dordover. Wie Ihr inzwischen sicher schon bemerkt habt, sind die Al-Drechar kein Mythos. Wir wissen nur nicht, wo wir sie finden können. Aber wenn wir zusammenzuarbeiten, dann werden wir sie finden, glaubt mir.«
»Euer Vorschlag ist ebenso außergewöhnlich wie Eure Blindheit, wenn Ihr auch nur eine Sekunde glaubt, wir würden uns herablassen, mit den Schwarzen Schwingen zusammenarbeiten.« Berians Gesicht war vor Wut verzerrt und rot. »Habt Ihr endgültig von dem Abschied genommen, was an Verstand noch in Euch war?«
Selik zuckte nur mit den Achseln und lächelte, was in seinem entstellten Gesicht alles andere als angenehm wirkte. »Dann bringt mich um und verzichtet darauf zu erfahren, was wir wissen. Das Problem ist, dass Ihr es Euch nicht erlauben könnt, mich zu töten und danach erst herauszufinden, dass ich Recht hatte. Am späten Abend
sind Eure Magier in den Schenken von Dordover nicht immer so verschwiegen, wie Ihr es gern hättet. Uns sind viele interessante Dinge zu Ohren gekommen. Sehr interessante Dinge.«
»Aber Ihr seid doch nicht hergekommen, um uns Eure altruistische Seite vorzuführen, oder?«, fragte Vuldaroq. »Ihr wollt etwas von uns. Was wollt Ihr, Selik?«
»Ah, Vuldaroq. Ihr seid im Kopf keineswegs so schwerfällig, wie man es dem Äußeren nach annehmen könnte. Es ist ganz einfach. Ihr wollt das Mädchen haben, damit Ihr es ausbilden, kontrollieren oder beseitigen könnt – wie es Euch beliebt. Ihr könnt die Kleine haben, und ich werde Euch helfen, sie zu bekommen. Als Gegenleistung will ich die Hexe haben, die dies hier mit meinem Gesicht gemacht hat.« Er deutete auf seine schrecklichen Narben. »Gebt mir Erienne Malanvai.«
Im Proteststurm, der daraufhin losbrach, gestattete Vuldaroq sich ein leises Kichern.
4
Ren’erei führte Erienne und Lyanna durch einen breiten, mit Gemälden ausgeschmückten und mit Holz vertäfelten Gang. Ganze siebzig Schritt war er lang, bis er vor einer schlichten Doppeltür endete, vor der zwei Gildenwächter postiert waren. Links gingen weitere Türen ab, und die Fenster auf der rechten Seite überblickten einen von Laternen erhellten Obstgarten.
Als sie den Garten sah, vergaß Lyanna sofort ihre Ängste und lief zum Fenster. Die Laternen, die in der Brise schwankten und in der Abenddämmerung blinkende Lichtstrahlen über die Zweige und die breiten Blätter der Bäume tanzen ließen, zogen sie in ihren Bann.
Es war noch sehr warm, und Erienne hatte sich für ein leichtes, bodenlanges grünes Kleid entschieden. Das Haar hatte sie zu einem lockeren Knoten geflochten, damit der Luftzug auch ihren Hals kühlen konnte. Lyanna trug ein
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