Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
verblutete vor meinen Augen und ertrank an seinem eigenen Blut. Es war ein Wettlauf zwischen zwei Todesarten.
»Sucht Marcus! Er soll sofort herkommen!«, schrie ich. Vor Panik war ich fast hysterisch. Dann begann mein Vater zu sprechen, leise und gurgelnd, was an dem Blut lag. Ich konnte ihn kaum verstehen.
Ich beugte mich vor und hielt das Ohr dicht über seinen Mund. »Gibt es noch Hoffnung?«, keuchte er. Mir liefen die Tränen über die Wangen.
»Vielleicht … halte durch, Vater. Es ist noch nicht vorbei.« Meine Stimme brach, mehr konnte ich nicht sagen. Die Verletzung war gewiss tödlich, aber ich konnte sie lindern … falls ich drei Dinge gleichzeitig zu tun vermochte. Ich nahm mich zusammen und dachte nach. Bei mir selbst wäre es einfacher gewesen. Ich muss mich ganz und gar darauf konzentrieren , sagte ich mir. Zuerst schickte ich mein Bewusstsein in ihn hinein, wie ich es vor einem langen Jahr auch schon mit dem Pferd getan hatte. Von innen zu arbeiten, war erheblich einfacher.
Ich flüsterte ein paar Worte und schickte meinen Geist hinaus, während ich meinem Vater in die blauen Augen blickte. Einen Moment lang spürte ich, wie sich unsere Seelen berührten, aber dann flogen meine Gedanken aus ihm heraus und kehrten unweigerlich in meinen eigenen Kopf zurück. Ich war in meinem Körper verankert … die Bindung. Mein Herz schrie gequält auf, als ich erkannte, dass ich nicht tun konnte, was notwendig war. Daraufhin sträubte ich mich innerlich und versuchte, mich von der beschränkenden Bindung zu befreien. Ein heißer Schmerz durchzuckte mich, als ich versuchte, sie mit Gewalt zu zerstören. Penny stolperte und brach neben mir zusammen. So würde ich uns beide töten.
Dann überkam mich die Verzweiflung, und ich gab es auf. Mein Vater versuchte noch einmal, etwas zu sagen. Ich hielt seinen Kopf hoch und hörte ihm zu, doch auch wenn ich das Ohr ganz dicht vor seinen Mund hielt, konnte ich die Worte nicht verstehen. Mit einem Finger malte er einen Umriss auf den Boden, was ich ebenfalls nicht begriff. Jetzt sprach er wieder, aber das einzige Wort, das ich verstand, war »Leuchter«.
»Ich verstehe dich nicht … was willst du mir sagen?« Meine Augen waren voller Tränen, ich konnte kaum noch etwas erkennen.
Er deutete auf James, der ein paar Schritte entfernt lag, und hauchte noch einmal das Wort »Leuchter«. Es schien ihm ungeheuer wichtig, und ich bemühte mich, ihn zu verstehen. »James! Was meint er mit dem Leuchter?«
James musste einen Augenblick überlegen. »Ich glaube, er meint den neuen Lüster im großen Saal in Lancaster. Den hat er nach der Schlacht für mich angefertigt.« Damals war alles so chaotisch gewesen, dass ich es kaum bemerkt hatte. Es war mir gar nicht bewusst gewesen.
Royce nickte nun und zeigte auf meine Augen, dann wieder auf James. Eine Träne rollte ihm über die Wange, als er mich ansah. »Ich glaube, du sollst den Leuchter anschauen, Mort«, sagte Penny leise neben mir.
Ich nickte. »Wo ist Marcus?«, fragte ich sie. Meine einzige Hoffnung war nun, dass seine Göttin tun konnte, was mir nicht gelang. Die Zeit wurde knapp.
Dorian war gerade hereingekommen und beantwortete meine Frage. »Er ist in Lancaster, Mordecai. Er ist gestern aufgebrochen, weil dort ein Kind schwer erkrankt ist.«
Eine schwarze Woge überflutete mich, doch ich schob sie zurück. Verzweiflung half uns jetzt nicht weiter. Noch einmal untersuchte ich die Wunden. Nun musste ich eben von außen tun, was ich konnte. Ich zog am Schaft des Pfeils und versiegelte die verletzte Lunge, während sich die Spitze löste. Mein Vater zuckte vor Schmerzen, und die Spitze bohrte sich noch tiefer in sein Herz. So tötete ich ihn mit Gewissheit. Der Herzschlag beschleunigte sich nun auch, weil sich der Muskel bemühte, das wenige verbliebene Blut möglichst schnell durch den Körper zu pumpen.
Es zerriss mir das Herz, als ich ihn so leiden sah. Daher tat ich das Einzige, was ich noch tun konnte … ich linderte seine Schmerzen und unterdrückte die Signale seiner Nervenbahnen. Es waren so viele, dass ich nicht einmal sicher sein konnte, ob es wirklich half. Aber schließlich entspannte er sich ein wenig. Das Herz schlug wieder langsamer, und der Oberkörper wurde ruhiger.
»Royce?« Meine Mutter stand hinter mir. Ich drehte mich um. Ihre Miene wirkte zwar ruhig, aber in den Augen sah ich die Angst und die Furcht, den Menschen zu verlieren, der ihr am wichtigsten war. Dieser Blick quälte meine
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