Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
würde ich ihn fragen, aber das ist er nicht«, sagte ich. Wut und Trauer führten einen Krieg in mir, doch ich hielt alles zurück. Miriam war der einzige Mensch, den ich nicht anfahren konnte.
Sie kam zu mir, legte eine Hand auf die meine und zwang mich, mit der Arbeit aufzuhören. »Sieh mich bitte an, Mordecai.«
Ich tat es. Ihre Wangen waren feucht. Ich wollte etwas sagen, aber sie legte mir einen Finger auf die Lippen. »Weißt du, warum ich weine?«
»Um Vater?«
»Nein. Er hatte ein schönes Leben. Ich weine, weil mein Sohn nach dem Tod seines Vaters nichts lieber will, als ebenfalls tot zu sein. Ich weine, weil du dein Lächeln und die Freude verloren zu haben scheinst, die du mir früher immer geschenkt hast.« Eine Träne zog eine einsame Bahn über ihre Wange.
Ich starrte sie lange an, und dann zerbrach etwas in mir. Sie hielt mich fest, als meine eigenen Tränen hervorströmten. Eine Ewigkeit verging, während sie mich hielt und ich wie ein kleines Kind weinte. Tiefes Schluchzen ließ meinen Brustkorb beben. Falls uns jemand dort stehen sah, dann war er so freundlich vorbeizugehen, ohne uns zu stören.
Endlich kam der Frühling, die Tage wurden wärmer. Allmählich schmolz der Schnee in den Bergen, und der Glenmae schwoll an. Ich musste noch mehr Steine hinzufügen, damit der Damm nicht überspült wurde. Unterdessen hoffte ich, die Feinde kämen eher früh, denn wenn sie sich zu viel Zeit ließen, riss der Fluss die Rückhaltemauer möglicherweise ein, und der künstliche Gletscher, den ich geschaffen hatte, konnte sich auflösen.
Meine Stimmung hatte sich inzwischen aufgehellt, was Penelope sehr beruhigte. Allerdings musste ich mich auch ausgiebig entschuldigen. Das war die Sache jedoch wert, zumal die Versöhnung dazu beitrug, meine Stimmung noch weiter zu verbessern. Trotzdem, ein dunkles Samenkorn von Zorn und Kummer blieb zurück. Ich versteckte es jedoch tief in mir an einem dunklen Ort, wo ich es auch selbst kaum noch bemerkte. Bewusst konzentrierte ich mich lieber auf angenehmere Dinge, von denen es freilich nicht sehr viele gab.
Zwei Wochen nach Frühlingsanfang kehrten die Reiter mit der Meldung zurück, man habe Späher gesichtet. Dabei handelte es sich vor allem um leichte Kavallerie, die jeweils in Zweiergruppen das Tal und die Straße erkundete. Wir ließen sie in Ruhe. Ich hatte nicht die Absicht, sie zu stören, solange sie dem Bauplatz des Damms nicht zu nahe kamen. Glücklicherweise ließen sie sich aber nie dort blicken, sondern kehrten um, sobald sie zehn Meilen in das Tal vorgestoßen waren.
Am Ende des Tals, durch das sie eindrangen, war der Fluss schmal, denn wir ließen vom Damm aus nur ein kleines Rinnsal durch. Ich machte mir Sorgen, sie könnten wegen des niedrigen Wasserstandes misstrauisch werden. Da sie nicht aus unserem Tal stammten, bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass sie gar nicht wussten, wie mächtig der Strom im Frühjahr sonst wurde.
An dem Abend, nachdem wir die Späher bemerkt hatten, sprach ich mit Dorian. »Sind die Männer bereit?«, fragte ich. Das war eine dumme Frage. Wir hatten längst alles nur Menschenmögliche getan. Trotzdem, ich konnte nicht anders.
»So gut, wie ich es nur zu bewerkstelligen vermochte«, antwortete er. Dank der Rekruten, die aus Albamarl und Arundel zu uns gestoßen waren, verfügten wir nun über mehr als sechshundert kampffähige Männer. Es wäre schwierig gewesen, sie alle aus den eigenen Lagerbeständen zu bewaffnen, aber einige Kisten, die wir in der Hauptstadt gestohlen hatten, waren mit Waffen und leichten Rüstungen gefüllt. Ich war sicher, dass der König sie inzwischen vermisste und Schwierigkeiten bekam, seine eigenen Leute auszurüsten.
»Sechshundert«, überlegte ich laut. Gegenüber einer Armee, die durchaus zehntausend oder zwanzigtausend Krieger umfassen konnte, war das eine erbärmlich kleine Zahl. »Wir sollten die Frauen und Kinder nach Lancaster bringen«, fuhr ich fort.
Dorian nickte. All dies hatten wir längst besprochen. Alle, die nicht kämpfen würden, sollten dorthin umziehen, wo sie so weit wie möglich vom Kampfgeschehen entfernt abwarten konnten. Wenn es ganz schlimm verlief, sollte sich auch das Hauptkontingent der Krieger dorthin zurückziehen. Ich hatte einen größeren Kreis konstruiert, mit dessen Hilfe ich zwanzig Menschen auf einmal nach Lancaster verlegen konnte. Wenn sie so freundlich waren, eng zusammenzurücken, konnten es sogar noch mehr sein.
In Lancaster hatte ich
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