Der Canyon
Gefühl, er werde das Fossil schon sehr bald entdecken, hatte sich angesichts der harten Wirklichkeit der Landschaft, in der er seit Sonnenaufgang herumwanderte, verflüchtigt. Drei große Canyons und viele kleinere trafen in einem absoluten Chaos aus Felsen und Geröll aufeinander – ein toter Fleck, alles Leben von der Erosion zerstört, durch heftige Überflutungen zerrissen und vernarbt von Steinschlag. Es war, als hätte Gott sich diese Stelle als Müllhalde der Schöpfung ausgesucht und hier all den Sand und das Gestein deponiert, für die er anderswo keine Verwendung mehr hatte.
Obendrein hatte Ford noch keinen Hinweis auf irgendwelche Fossilien entdeckt – nicht einmal Bruchstücke von versteinertem Holz, die man in den Mesas sonst überall fand. Die Landschaft war in jeder Hinsicht völlig leblos.
Er schüttelte erneut die Wasserflasche, dachte sich, was soll's, trank noch einen Schluck und sah auf die Uhr. Halb elf. Er hatte etwa die Hälfte des Tals abgesucht. Die andere Hälfte stand ihm noch bevor, außerdem eine Reihe Nebencanyons und Schluchten, die in einer Sackgasse endeten – dafür würde er mindestens einen weiteren Tag brauchen. Doch er würde die Arbeit nicht beenden können, wenn er kein Wasser fand; und dass es an diesem infernalischen Ort keines gab, war wohl eindeutig. Wenn er nicht verdursten wollte, würde er sich allerspätestens am nächsten Tag zum Fluss aufmachen müssen.
Er faltete die Karte zusammen, hängte sich die Feldflasche wieder um und orientierte sich mit dem Kompass, wobei er als Anhaltspunkt eine Sandsteinnadel verwendete, die sich von der Felswand abgespalten hatte und gefährlich schräg in der Luft hing. Er trottete über den ebenen Sand, überquerte dabei ein weiteres vertrocknetes Wasserloch, und seine Sandalen wirbelten weißen Alkalistaub auf. Er fand seinen Rhythmus wieder, marschierte schneller, vorbei an der Felsnadel und dann hinein in eine schmale Schlucht mit ausgetrocknetem Flussbett. Er hatte am Morgen kaum etwas gegessen – ein paar Esslöffel Haferflocken, in einer Blechdose gekocht –, und sein Magen fühlte sich hohl an, wie er es inzwischen gewöhnt war, dieses Gefühl von Hunger, das über bloßes Hungrigsein hinausging. Seine Beine schmerzten, seine Füße waren voller Blasen, die Augen rot vom Staub. In gewisser Weise war Ford diese Verachtung des Fleischlichen, die Verweigerung körperlicher Annehmlichkeiten, sehr willkommen. Reue und Buße waren durchaus angenehm. Andererseits gab es einen Punkt, ab dem körperliche Unannehmlichkeiten, wenn man sie übertrieb, nur allzu große Nachlässigkeit darstellten. Im Moment befand er sich bereits in der Gefahrenzone, einem Ort, wo es keinen Spielraum mehr für Unfälle oder Fehler gab. Ein gebrochenes Bein, ja selbst ein verrenkter Knöchel, wären sein Todesurteil: Da er nur noch so wenig Wasser hatte, würde er sterben, bevor man ihn fand. Aber das war nichts Neues; er war schon weitaus größere Risiken eingegangen.
Er wanderte weiter, erfüllt von widersprüchlichen Emotionen. Die Schlucht beschrieb eine enge Kurve vor einer Sandsteinwand, die etwa fünf Meter hoch unterspült war, so dass ein Halbmond aus Schatten entstand. Ford ruhte sich dort einen Moment lang aus. Ein einsamer Wacholderbaum stand ganz in der Nähe, stocksteif, als hätte die Hitze ihn betäubt. Ford atmete tief durch und kämpfte gegen den Drang an, erneut zu trinken. Er konnte sehen, dass die Felswand weiter vorn im Canyon in einer gewaltigen Gerölllawine zusammengestürzt war – ein hundertfünfzig Meter hoher Haufen von Felsbrocken so groß wie Autos.
In diesem Geröllhaufen entdeckte er etwas. Die glatte Fläche eines Felsbrockens lag gerade richtig zum Einfallswinkel des Sonnenlichts. Und dort, vollkommen klar und deutlich, sah er zwei wunderbare Dinosaurier-Fußabdrücke – von einem großen Dinosaurier mit drei Zehen und gewaltigen Klauen, der offenbar etwas überquert hatte, was damals ein lehmiger Sumpf gewesen sein musste. Ford warf sich die Wasserflasche über die Schulter und ging zum Fuß des Geröllhaufens; er spürte eine Energie wie von einem Stromschlag, seine Müdigkeit war verflogen. Er war auf der richtigen Spur, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Der T-Rex war hier, irgendwo in diesem Felsenlabyrinth – bei Gott, das da könnten seine Fußabdrücke sein.
In diesem Moment hörte Ford das Geräusch, das in der gewaltigen Stille der Wüste gerade noch wahrnehmbar war. Er hielt inne, blickte
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