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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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gearbeitet hat«, sagte sie. »Der Typ, der ihn aus dem Gefängnis geholt hat.«
    »Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Wissenschaftler an einem so angesehenen Museum in Entführung, Diebstahl und Mord verwickelt sein soll.«
    »Wenn genug auf dem Spiel steht, sind manche Menschen bereit, alles zu tun.«
    Sie gab ihm die Karte zurück, und Tom steckte sie zusammen mit dem Führerschein in seine Hosentasche. Er durchsuchte die restlichen Fächer der Brieftasche und dann die anderen Hosentaschen. Er fand das Notizbuch und hielt es hoch.
    »Na, was haben wir denn da«, sagte Sally.
    Er schob es in die eigene Hosentasche. In einer kleinen Armee-Kampftasche am Gürtel des Mannes fand er ein Magazin für die Pistole. Er blickte sich um und sah die Waffe am Boden liegen, wo Sally sie offenbar abgelegt hatte. Er steckte sie sich in den Gürtel und schnallte sich die Kampftasche um die Hüfte.
    »Glaubst du wirklich, du wirst dieses Ding brauchen?«, fragte Sally.
    »Der Kerl könnte einen Partner haben.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Man kann nie wissen.«
    Ansonsten hatte der Mann nichts Interessantes bei sich. Tom tastete erneut nach dem Puls. Schwächer, aber noch vorhanden. Er wünschte, der Mann wäre tot: Das würde die Dinge einfacher machen. Es schockierte ihn ein wenig, dass er nicht einen Hauch von Mitgefühl für den Mann aufbringen konnte.
    Das Sturmgewehr lag ein paar Meter weiter im Sand, und Tom hob es auf, löste das leere Magazin und warf es weg. Ein zweites Magazin fand sich in der Kampftasche; er leerte es aus, verstreute die Geschosse im Sand und warf das leere Magazin fort.
    »Gehen wir«, sagte er.
    »Und er?«
    »Wir können nichts für ihn tun, außer möglichst schnell hier rauszukommen und Hilfe zu holen. Wenn ich ehrlich sein soll, ist er so gut wie tot.« Tom schlang einen Arm um sie. »Kann's losgehen?«
    Arm in Arm und aufeinander gestützt humpelten sie das ausgetrocknete Bachbett entlang. Zehn Minuten marschierten sie schweigend, dann blieb Tom verblüfft stehen.
    Eine Gestalt in langen Gewändern kam mit erhobener Hand auf sie zugelaufen. Es war der Mönch – Wyman Ford.
    »Tom!«, rief die Gestalt und begann zu rennen. »Tom!« Er wedelte verzweifelt mit den Armen und eilte auf sie zu. Im selben Moment hörte Tom ein leises Summen und sah ein kleines, fensterloses Flugzeug mit einer Knubbelnase; es kam gerade über dem Rand des Canyons in Sicht und drehte nun langsam in ihre Richtung.

5
    Melodie starrte auf den Computerbildschirm, auf dem sie sich gerade durch die Daten der letzten Mikrosondenuntersuchung scrollte. Sie blinzelte, rollte die Augen erst in eine, dann in die andere Richtung, um wieder schärfer sehen zu können. Komisch, sie fühlte sich zugleich erschöpft und aufgedreht, und ihr schwirrte der Kopf, als habe sie sich gerade einen Martini genehmigt. Sie blickte zur großen Wanduhr auf. Vier Uhr nachmittags. Während sie hinsah, rückte der Minutenzeiger mit einem leisen Klunk eine weitere Minute vor. Sie hatte seit über fünfzig Stunden nicht mehr geschlafen.
    Sie drückte auf eine Taste und speicherte die Daten. Sie hatte sämtliche Untersuchungen durchgeführt, die einem zu dieser Probe einfallen konnten, und die meisten wichtigen Fragen beantwortet. Der einzige ungeklärte Punkt war das Venus-Partikel. Sie war fest entschlossen, auch diese Frage zu klären, bevor sie ihre Erkenntnisse zur Online-Veröffentlichung einreichte. Denn sonst würde das irgendein anderer Wissenschaftler tun – und sie war so nah dran.
    Sie wählte das letzte der präparierten Plättchen, legte es auf einen Objektträger und untersuchte es unter dem Polarisationsmikroskop. Bei 500-facher Vergrößerung konnte sie die Partikel gerade so erkennen, winzige schwarze Punkte, die sich hier und da innerhalb der Zellen drängten. Sie entfernte das Plättchen, schob es in einen Mikro-Mörser und ließ es vorsichtig zermahlen, verrührte es mit Wasser zu einer feinen Paste und goss diese in einen kleinen Plastikbecher.
    Sie trat an einen verschlossenen Schrank und holte eine Flasche zwölfprozentige Flusssäure heraus. Es war unklug von ihr, mit einer derart gefährlichen Chemikalie zu hantieren – das Zeug war so ätzend, dass es Glas auflösen konnte –, obwohl sie angestrengt und übermüdet war, doch dies war die einzige Säure, die das tun konnte, was Melodie wollte: die Mineralien, welche die organischen Materialien bei der Versteinerung ersetzt hatten, vollständig aufzulösen, ohne die

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