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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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wollte niemals so werden wie die arroganten Wissenschaftler, mit denen sie es in den vergangenen Jahren oft zu tun gehabt hatte. Sie würde immer freundlich zu kleinen Laborantinnen, unfähigem Reinigungspersonal und Promotionsstudenten sein.
    »Danke, Frankie.«
    »Bis dann.« Frankie ließ im Gehen den Müllsack gegen die Tür knallen, und dann herrschte wieder Schweigen.
    Seufzend untersuchte Melodie das Stereozoom-Mikroskop. Kleine Colatröpfchen waren an die Seite des Apparats gespritzt, und sie bemerkte, dass auch einige auf dem Objektträger gelandet waren.
    Sie schaute durch das Okular, um sich zu vergewissern, dass Frankie keinen Schaden angerichtet hatte. Sie hatte herzlich wenig von der ursprünglichen Probe übrig, jedes bisschen zählte, vor allem die sechs oder sieben Partikel, die sie so mühsam von Verunreinigungen befreit hatte.
    Doch auf dem Objektträger war alles in Ordnung. Die Colatröpfchen in der Lösung schadeten nicht – ein paar Zuckermoleküle konnten einem Partikel, das fünfundsechzig Millionen Jahre lang begraben gewesen war und danach noch ein Bad in zwölfprozentiger Flusssäure überstanden hatte, wohl kaum etwas anhaben.
    Dann stutzte sie. Wenn ihre Augen sie nicht täuschten, hatte sich plötzlich eines der Querstäbchen am Arm eines Partikels bewegt.
    Sie wartete, starrte durch das Okular auf die vergrößerten Partikel und spürte ein Kribbeln im Nacken. Vor ihren Augen bewegte sich der Arm eines Partikels, wie ein kleiner Uhrzeiger, von einer Position zur nächsten. Dabei bewegte das Partikel sich vorwärts. Fasziniert und erschrocken zugleich beobachtete sie, wie auch die anderen Partikel mit dieser mechanisch wirkenden, klickenden Bewegung begannen. Sämtliche Partikel bewegten sich fort, die Arme funktionierten wie winzige Propeller.
    Die Partikel lebten noch.
    Es musste an dem Zucker liegen, der nun der Lösung beigefügt war. Melodie griff unter ihren Schreibtisch und holte die letzte Coladose hervor. Sie riss sie auf, entnahm mit einer Mikropipette eine winzige Menge und tropfte sie an den Rand des mit Lösung benetzten Objektträgers, so dass dort eine hohe Zuckerkonzentration geschaffen wurde.
    Die Partikel wurden aktiver, die kleinen Arme trieben sie rotierend auf die höhere Zuckerkonzentration zu.
    Melodie wurde es allmählich unheimlich. Sie hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass die Partikel immer noch infektiös sein könnten. Und wenn sie noch lebten, waren sie auf jeden Fall noch infektiös – zumindest für einen Dinosaurier.
    Im Herpetologie-Labor, ein Stück den Flur hinunter, züchtete einer der Kuratoren im Rahmen eines langfristigen Experiments parthenogenetische Eidechsen. Im Labor gab es einen Inkubator voll Zellkulturen in vitro. An einer solchen Kultur ließe sich hervorragend überprüfen, ob das Partikel eine rezente Eidechse infizieren konnte.
    Sie verließ ihr Labor. Der Flur war leer – nach fünf Uhr an einem Sonntagnachmittag war es nicht wahrscheinlich, dass ihr hier jemand begegnen würde. Das Herpetologie-Labor war abgeschlossen, aber ihre Schlüsselkarte funktionierte auch hier, und sie brauchte nur fünf Minuten, um eine Petri-Schale voll wachsender Eidechsenzellen in die Hand zu bekommen. Sie brachte sie in ihr Labor, löste einige der Zellen mit einem Spritzer Salzlösung und brachte sie auf den Objektträger auf.
    Dann drückte sie die Augen ans Okular.
    Die Venus-Partikel hielten in ihrer Bewegung hin zur höheren Zuckerkonzentration inne. Sie drehten sich alle auf einmal um, wie ein Rudel Wölfe, das etwas gewittert hat, und bewegten sich auf die Zellen zu. Melodie verschlug es den Atem. Gleich darauf erreichten sie das Grüppchen Zellen, umzingelten sie und hefteten sich mit ihren langen Härchen an die Zellmembranen; dann drang jedes einzelne Partikel mit einer raschen, schneidenden Bewegung in eine Zelle ein.
    Melodie wartete wie gebannt, was als Nächstes passieren würde.

2
    Ford schleifte den Mann im Trainingsanzug zu einer Nische in dem Felsbrocken, wo er von hinten und von beiden Seiten Deckung hatte. Die drei Soldaten richteten ihre Waffen auf Ford und den Mann, den er festhielt. Der Sergeant machte eine knappe Handbewegung, und die beiden anderen Männer traten an den Flanken nach außen.
    »Sofort stehen bleiben, und lassen Sie die Waffen sinken.«
    Der Anführer brachte die beiden mit einer Geste zum Stehen.
    »Wie gesagt, dieser Mann wird uns allen jetzt erklären, was hier vor sich geht, denn sonst bringe ich ihn

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