Der Canyon
nicht.«
»Doch, genau darum geht es. Das ist die wichtigste paläontologische Entdeckung aller Zeiten.«
Wider Willen fühlte Sally sich von dem seltsamen Bild angezogen. Es war verschwommen und undeutlich, aber offensichtlich mehr als nur ein Skelett. Es war ein Dinosaurier, vollständig im Gestein erhalten. Er lag auf der Seite, den Kopf zurückgeworfen, mit geöffneten Kiefern, die beiden Vorderbeine erhoben, als versuche er sich aus dem Fels zu befreien.
»Warum ist er so gut erhalten?«
»Das muss an einer praktisch einmaligen Kombination von Umständen liegen, die ich mir nicht mal ansatzweise erklären kann.«
»Könnte sogar organisches Material erhalten sein? DNA?«
»Der Kadaver ist mindestens fünfundsechzig Millionen Jahre alt.«
»Erstaunlich, er sieht so frisch aus, als sollte er stinken.«
Tom lachte leise. »Das ist nicht der erste Fund eines mumifizierten Dinosauriers. Um die Jahrhundertwende fand ein Dinosaurierjäger namens Charles Sternberg einen mumifizierten Entenschnabeldinosaurier in Montana. Ich erinnere mich daran, dass ich ihn als Kind im Naturhistorischen Museum in New York gesehen habe, und er ist nicht annähernd so vollständig erhalten wie dieser hier.«
Sie griff nach der Darstellung. »Sieht aus, als wäre er qualvoll gestorben, den Kopf so weit zurückgeworfen und mit aufgerissenem Maul.«
»Er ist eine sie.«
»Sieht man das?« Sie schaute genauer hin. »Ich sehe da unten nur einen verschwommenen Fleck.«
»Weibliche Tyrannosaurier waren vermutlich größer und gefährlicher als die männlichen. Und da dies der größte T-Rex ist, der je gefunden wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass es ein Weibchen ist.«
»Die Dicke Bertha.«
»Dass der Nacken so verzerrt ist, liegt an den Sehnen, die vertrocknet sind und sich zusammengezogen haben. Die meisten Dinosaurierskelette werden mit verzerrtem Hals gefunden.«
Sally stieß einen leisen Pfiff aus. »Und was jetzt? Hast du schon einen Plan?«
»Allerdings. Nur wenigen Leuten ist bekannt, dass es einen florierenden Schwarzmarkt für Dinosaurierfossilien gibt. Solche Fossilien sind ein großes Geschäft, und manche Dinosaurier sind Millionen wert – wie dieser hier.«
»Millionen?«
»Der letzte T-Rex auf dem legalen Markt wurde für über acht Millionen Dollar verkauft, und das war vor zehn Jahren. Dieser hier ist mindestens achtzig wert.«
»Achtzig Millionen Dollar?«
»So ungefähr.«
»Wer würde denn so viel Geld für einen Dinosaurier bezahlen?«
»Wer würde so viel Geld für ein Gemälde bezahlen? Ich hätte jedenfalls lieber einen T-Rex als einen Tizian.«
»Verstehe.«
»Ich habe nachgeforscht. Es gibt weltweit eine Menge Sammler, vor allem in Asien, die so gut wie jeden Preis für ein spektakuläres Dinosaurierfossil bezahlen würden. Aus China wurden so viele Fossilien für den Schwarzmarkt hinausgeschmuggelt, dass die Regierung Dinosaurier per Gesetz zum Nationalerbe erklären musste. Aber das hat die Flut nicht eingedämmt. Heutzutage will jeder einen eigenen Dinosaurier besitzen. Die Sache ist die: Die größten und am besten erhaltenen Dinosaurier kommen immer noch aus dem amerikanischen Westen – und die meisten davon werden auf öffentlichem Land gefunden. Wenn man einen haben will, muss man ihn schon stehlen.«
»Und genau das hat dieser Mann getan.«
»So ist es. Er war ein professioneller Fossilienjäger. Von denen kann es auf der ganzen Welt nicht allzu viele geben. Er müsste leicht zu identifizieren sein, wenn ich die richtigen Leute frage. Jetzt muss ich nur noch die richtigen Leute finden.«
Sally sah ihn argwöhnisch an. »Und wie willst du das anstellen?«
Tom grinste. »Darf ich vorstellen, Tom Broadbent, Agent für Mr. Kim, den sehr zurückgezogen lebenden Industriellen und Multimillionär aus Südkorea. Mr. Kim würde gern einen spektakulären Dinosaurier kaufen, Geld spielt keine Rolle.«
»O nein.«
Er grinste und steckte sich die Unterlagen in die Tasche. »Ich habe schon alles genau geplant. Shane wird am Samstag die Praxis übernehmen, während wir beide nach Tucson fliegen, in die Fossilienmetropole der Welt.«
»Wir?«
»Ich lasse dich nicht allein hier, solange ein Mörder frei herumläuft.«
»Tom, ich habe für Samstag ein Spaßturnier für die Kinder organisiert. Ich kann nicht weg.«
»Das ist mir egal. Ich lasse dich auf keinen Fall hier allein.«
»Ich bin ja nicht allein. Den ganzen Tag lang wird es hier von Leuten wimmeln. Da kann mir gar nichts
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