Der Canyon
Geschwindigkeit von fünfundvierzig Stundenkilometern erreichen, doch die reine Schnelligkeit war nicht so wichtig wie Beweglichkeit, Wendigkeit und blitzschnelle Reflexe. Ihre Füße waren über einen Meter lang, bewehrt mit vier säbelartigen Klauen, drei vorne und ein afterkrallenartiger Sporn hinten. Sie ging auf den Zehen. Mit einem einzigen, gut gezielten Hieb konnte sie einem über dreißig Meter langen Hadrosaurier den Bauch aufschlitzen.
Ihre Kiefer waren fast einen Meter lang und enthielten sechzig Zähne. Sie benutzte die vorderen, schneidezahnartigen dazu, Fleisch vom Knochen zu lösen. Zu beiden Seiten bildeten ihre Fangzähne tödliche Reihen; einige davon waren inklusive der Wurzel bis zu dreißig Zentimeter lang und so dick wie eine Kinderfaust. Auf der Rückseite waren sie gezackt, so dass sie nach dem Biss ihre Beute festhalten und rückwärts zerreißen konnte. Mit einem einzigen Biss konnte sie ein Volumen von über zweihundertfünfzig Litern fassen und mehrere hundert Pfund Fleisch aus einem Beutetier reißen. Ein System von Durchgängen, Löchern und Kanälen in ihrem Schädel machte ihn enorm stark, aber leicht und flexibel. Sie hatte zwei verschiedene Bisstechniken: einen Überbiss, bei dem die Zähne das Fleisch durch stanzten, und einen »Nussknacker«-Biss, der Platten und Knochen zermalmte.
Ihr Gaumen wurde von dünnen Streben gestützt, die es dem Schädel ermöglichten, sich bei einem kraftvollen Biss seitlich zu verbreitern und dann auszudehnen, damit sie gewaltige Fleischbrocken im Ganzen schlucken konnte.
Mit ihren überlappenden Kiefermuskeln erreichte sie eine Beißkraft, die auf achttausend Kilogramm pro Quadratzentimeter geschätzt wird, genug, um Stahl zu durchtrennen.
Ihre Vordergliedmaßen waren klein, nicht länger als die Arme eines Menschen, aber um ein Vielfaches stärker. Die zwei gekrümmten Klauen daran waren im Neunzig-Grad-Winkel angesetzt, was maximale Kraft beim Greifen und Schlitzen garantierte. Die Wirbel, an denen die Rippen ansetzten, waren so groß wie Kaffeedosen und stützten ihren Bauch, der zeitweise mehr als eine Vierteltonne frisch verschlungenes Fleisch enthalten konnte.
Sie stank. In ihrem Maul befanden sich verrottende Fleischfetzen und ranziges Fett, die in speziellen Vertiefungen an ihren Zähnen hängen blieben, was ihren Biss noch tödlicher machte. Selbst wenn ihr Opfer dem ersten Angriff entkommen konnte, würde es höchstwahrscheinlich bald an einer massiven Entzündung oder Blutvergiftung sterben. Die Knochen, die sie mit dem Kot ausschied, wurden durch die starke Salzsäure in ihrem Verdauungstrakt fast vollständig aufgelöst.
Das Hinterhauptbein in ihrem Nacken war so groß wie eine Grapefruit und gestattete ihr, den Kopf um fast hundertachtzig Grad zu drehen, so dass sie in alle Richtungen um sich beißen konnte. Wie beim Menschen, waren auch ihre Augen nach vorn gerichtet, so dass sie ein stereoskopisches Sehvermögen besaß; ihr Geruchssinn und das Hörvermögen waren ebenfalls hervorragend. Ihre liebste Beute waren die Herden der Hadrosaurier, die lärmend durch die großen Wälder zogen, Rufe und trompetende Schreie ausstießen, um die Herde zusammen und die Jungen bei ihren Müttern zu halten. Doch sie war Opportunistin und schlug alles, was Fleisch versprach.
Sie jagte vorwiegend aus dem Hinterhalt, indem sie sich geduldig und leise gegen den Wind anpirschte und dann blitzschnell angriff. Sie war sehr gut getarnt und trug die Farben der Wälder, ein prächtiges Muster aus Grün- und Brauntönen.
Als heranwachsendes Tier jagte sie im Rudel, ausgewachsen jedoch allein. Sie lieferte sich keinen Kampf mit ihrer Beute, sondern überfiel sie mit einem einzigen, gewaltigen Biss, bei dem ihre Zähne Platten und Panzer durchtrennten und zu lebenswichtigen Organen und Arterien vordrangen; wenn sie ihre Beute im Maul fixiert hatte wie einen Wurm am Angelhaken, zog sie ein Hinterbein an und führte einen alles zerfleischenden Tritt. Dann ließ sie ihr Opfer los, zog sich zurück und wartete in sicherer Entfernung, während es vergeblich brüllte, um sich schlug, zuckte und schließlich verblutete.
Wie viele Raubtiere verschmähte sie auch Aas nicht; sie fraß alles, wenn es nur Fleisch war. Die Zähne in einen fauligen, von Maden wimmelnden Kadaver zu schlagen, war für sie ebenso sättigend und befriedigend, wie ein ganzes, noch schlagendes Herz zu verschlingen.
1
Wyman Ford hielt inne und blickte in die tiefe Schlucht des Tyrannosaur
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