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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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wieder ins Auto gesprungen, und der Wagen raste mit quietschenden Reifen in nördlicher Richtung davon.
    Tom ließ ihm einen ordentlichen Vorsprung, startete den Wagen, ohne Licht zu machen, und holperte zurück auf die Straße. Er musste blind fahren; wenn er die Scheinwerfer einschaltete, würde der Mann merken, dass er verfolgt wurde – der Chevy mit seinen runden, altmodischen Scheinwerfern war zu leicht wiederzuerkennen.
    Sobald er den Highway erreicht hatte, gab er Gas und fuhr so schnell, wie er es ohne Licht wagte. Er hielt den Blick auf die dahinschwindenden roten Rücklichter geheftet, doch der Wagen vor ihm war schnell, und ihm wurde klar, dass er keine Chance hatte, an ihm dranzubleiben, wenn er kein Licht machte. Er musste es riskieren.
    Im selben Moment näherte er sich dem kleinen Laden und sah einen Pick-up an der Zapfsäule stehen. Er bremste heftig, bog zur Tankstelle ab und hielt auf der anderen Seite der Zapfsäule. Der Wagen, ein schäbiger Dodge Dakota, stand offen an der Säule, mit dem Schlüssel im Zündschloss, während der Fahrer drinnen bezahlte. Tom konnte den Griff einer Waffe aus dem Türfach ragen sehen.
    Er sprang aus seinem Chevy, stieg in den Dodge, ließ den Motor an und raste mit quietschenden Reifen davon. Er trat das Gaspedal durch und flog durch die Dunkelheit gen Norden, wo die Rücklichter verschwunden waren.

9
    Der Anruf kam um elf Uhr. Obwohl Melodie darauf gewartet hatte, zuckte sie zusammen, als das Telefon in ihrem stillen, leeren Labor schrillte.
    »Melodie? Wie laufen die Untersuchungen?«
    »Großartig, Dr. Corvus, ganz großartig.« Sie schluckte, weil sie merkte, dass sie praktisch in den Hörer keuchte.
    »Arbeiten Sie noch daran?«
    »Ja, ja, sicher.«
    »Sind die Ergebnisse schon reingekommen?«
    »Ja. Sie sind – unglaublich.«
    »Erzählen Sie mir alles.«
    »Die Probe ist mit Iridium durchsetzt – genau die Anreicherung mit Iridium, die man an der KT-Grenze erwarten würde, aber noch stärker. Ich meine, diese Probe ist mit Iridium durchtränkt.«
    »Was für Iridium, und in welcher Konzentration?«
    »Es liegt in diversen isometrischen Hexoktaeder-Formen vor, in einer Konzentration von über 430 ppb. Wie Sie wissen, ist das genau der Typus, der mit dem Einschlag von Chicxulub identifiziert wird.«
    Melodie wartete auf eine Antwort, bekam jedoch keine.
    »Dieses Fossil«, wagte sie sich vor, »liegt nicht zufällig genau in der KT-Grenze … oder?«
    »Das könnte sein.«
    Darauf folgte ein weiteres langes Schweigen, und Melodie fuhr fort: »In der äußeren Matrix habe ich Unmengen Rußpartikel gefunden, wie man sie von großen Waldbränden kennt. Neulich stand in einem Artikel im Journal of Geophysical Research, dass mehr als ein Drittel der Wälder auf der Erde nach dem Chicxulub-Einschlag verbrannt sei.«
    »Dieser Artikel ist mir bekannt«, erwiderte Corvus' ruhige Stimme.
    »Dann wissen Sie ja auch, dass die KT-Grenze aus zwei Schichten besteht, zuerst die stark iridiumhaltigen Ablagerungen des Einschlags selbst und dann eine Schicht Ruß, die von weltweiten Waldbränden stammt.« Sie hielt inne, wartete erneut auf eine Reaktion, doch am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Corvus begriff es anscheinend nicht – oder doch?
    »Ich glaube …« Sie zögerte, fürchtete sich beinahe davor, es auszusprechen. »Oder vielmehr, meine Schlussfolgerung ist, dass dieser Dinosaurier tatsächlich durch den Meteoriteneinschlag getötet wurde – oder während des ökologischen Zusammenbruchs unmittelbar danach.«
    Diese bahnbrechende Schlussfolgerung traf offenbar ins Leere. Corvus schwieg.
    »Das würde vermutlich auch den hervorragenden Erhaltungszustand des Fossils erklären.«
    »Wie meinen Sie das?«, kam die reservierte Rückfrage.
    »Als ich diesen Artikel gelesen habe, fiel mir auf, dass der Meteoriteneinschlag, die Brände und die Erwärmung der Atmosphäre einmalige Bedingungen für eine Fossilisation geschaffen haben müssen. Zunächst einmal gab es keine Aasfresser mehr, die den Kadaver zerrissen und die Knochen verteilt hätten. Der Einschlag erhitzte die gesamte Erde, es war überall so heiß wie in der Sahara, und in vielen Gebieten stieg die Temperatur auf hundert oder sogar hundertfünfzig Grad Celsius – perfekt, um einen Kadaver blitzartig auszutrocknen. Obendrein hat der viele Staub in der Atmosphäre gewaltige Stürme und Unwetter ausgelöst. Schwere Überflutungen hätten die Überreste rasch begraben.« Melodie schöpfte Atem und

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