Der Captain ist 'ne Lady
Weise testen die Jugendlichen nach einigen Bieren, ob sie noch klar sehen können. Vermutlich gibt es im ganzen Land kein einziges Schild ohne solche Löcher.”
“Haben Sie das früher auch gemacht?”
“Allerdings”, bestätigte er, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. “Es schadet nichts, wenn man Dampf ablässt, solange es nur leblose Gegenstände trifft. So weit draußen wird niemand verletzt.”
Eine Weile fuhr er schweigend weiter.
“Wir müssen uns noch eine Geschichte für Ihre Tarnung ausdenken”, bemerkte er dann. “Gentry Wells ist eine Kleinstadt, in der jeder jeden kennt. Bestimmt haben Sie schon letzte Woche Gerüchte ausgelöst, als Sie mit Kyle da waren.”
“Wirklich?”, fragte sie überrascht, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass es noch immer dermaßen provinzielle Kleinstädte gab.
“Ich habe lange überlegt”, fuhr er fort. “Sie verstehen doch etwas von Computern, oder?”
Sie nickte und verzichtete auf den Zusatz, dass es auf der Welt so gut wie kein technisches Gerät gab, mit dem sie nicht umgehen konnte. Es hätte nach Prahlerei geklungen.
“Also, hier wissen alle, dass ich mich mit Computern beschäftige. Sie verstehen zwar nichts von den Sicherheitsmaßnahmen, auf die meine Firma spezialisiert ist, aber sie wissen, dass ich gut ausgestattet bin.”
Das löste bei Meredith eine Vorstellung ganz besonderer Art aus. Oh ja, sie konnte nur bestätigen, dass er sogar sehr gut ausgestattet war, soweit sie das beurteilen konnte. Bevor er merkte, dass sie wieder rot geworden war, wandte sie sich ab.
Offenbar hatte er nichts gesehen. “Wir könnten doch erzählen”, sagte er, “dass Sie hier sind, um ein neues Gerät aufzustellen, um zum Beispiel eine Satellitenverbindung einzurichten.”
“Ja, in Ordnung. Wenn Sie möchten, ziehe ich das durch.”
“Großartig”, bestätigte er. “Wir erzählen die Geschichte allen, die sie hören wollen, und bleiben auch vor den Rancharbeitern dabei. Meine Schwester kommt in wenigen Tagen vom College heim. Ihr werden wir die Wahrheit sagen müssen.”
“Wie Sie wollen.” Meredith war das völlig gleichgültig. Sie beunruhigte viel mehr, dass sich das Motorgeräusch verändert hatte. “Sehen sie nicht die gelbe Warnlampe?”, fragte sie und zeigte auf das Armaturenbrett.
“Kommt gelegentlich vor, aber keine Angst, die Lampe geht wieder aus.”
“Heißt das nicht eigentlich, dass etwas nicht stimmt?”
Cinco schüttelte den Kopf. “Nein, vermutlich ist die Warnanlage defekt. Wir haben auf der Ranch zwei Mechaniker, die dafür sorgen, dass alle Wagen perfekt laufen.”
Noch ein Stück weiter fiel ihr wieder etwas auf. “Die Warnlampe brennt unverändert, und die Temperatur des Kühlerwassers ist gestiegen. Macht das auch nichts?”
“Denken Sie nicht so viel nach”, wehrte er ab. “Sie haben wirklich wichtigere Probleme, über die Sie sich den Kopf zerbrechen müssen. Um die Mechaniker brauchen Sie sich nicht zu kümmern.”
Typisch Mann dachte sie, verfolgte das Thema aber nicht weiter, obwohl sie sich erneut über seine Art ärgerte, alles zu bestimmen. Natürlich hatte er insofern recht, als sie der Zustand seiner Autos nichts anging.
“Sie wollen nicht anhalten und selbst nachsehen?”, fragte sie nach einer Weile trotz aller guten Vorsätze.
“Entspannen Sie sich, und überlassen Sie alles mir”, entgegnete er. “Sie haben von dem Leben bei uns keine Ahnung.”
Es fiel ihr schwer, nichts zu sagen, das sie hinterher bereuen würde. Zu deutlich erinnerte er sie an ihren Vater, Konteradmiral Stanton Powell, der oft genug die gleichen Worte verwendet hatte.
Energisch schob sie die Erinnerungen von sich. Er lebte nicht mehr, und sie wollte nicht daran denken, wie er ihr beigebracht hatte, Befehle zu befolgen. Er hatte sie nach dem Tod ihrer Mutter nicht einmal richtig trauern lassen. Und das war nur eine der albtraumhaften Erfahrungen, die sie verfolgten.
Meredith schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf den Cowboy am Steuer. Er war nicht ihr Vater. Wieso war die Erinnerung an die Albträume dann ausgerechnet jetzt erwacht?
Noch kannte sie ihn nicht sehr gut, aber sie war sicher, dass es ihm nur um ihre Sicherheit ging. Er wollte nicht ihr Leben kontrollieren. Darum musste sie sich mit ihrer gegenwärtigen Lage abfinden und durfte den Frust und die Angst nicht an diesem Mann auslassen. Ihn traf keine Schuld, und er hatte sich den Auftrag schließlich nicht selbst ausgesucht.
Abgelenkt wurde
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