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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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Frage, die ihn auch weiterhin brennend
interessierte. War der Zeichner tatsächlich nur ein Tattergreis, der den
Verstand verloren hatte? Falls er wirklich so altersdement war, wie er wirkte,
wie konnte er dann irgendeinen psychischen Strom anzapfen und daraus seine
Visionen beziehen? War es nicht durchaus möglich, dass man, sofern man sich
ernsthaft bemühte, zu dem Alten durchdringen konnte, vielleicht mit der Hilfe
von Hypnose? Soweit Scott wusste, hatte das bisher noch niemand versucht.
Traurig, aber wahr: In der Medizin hängte man denjenigen, bei denen man
Altersdemenz vermutete, schnell das entsprechende Etikett um. Und wenn das erst
einmal geschehen war, schenkte man den Betroffenen kaum noch Beachtung.
    Seltsam
erregt, verstaute Scott die Zeichnungen wieder, stand vom Schreibtisch auf und
humpelte durchs Zimmer. Er
    würde
versuchen, zu dem verrückten alten Zeichner durchzudringen, der Dinge sehen
konnte, die eigentlich kein Mensch hätte sehen dürfen.
    Er würde sich
alle Mühe geben. Und falls er Erfolg hatte... dann gab es, bei Gott, einige
Fragen, die nach Antworten verlangten.
    Festgebunden
am Rollstuhl, saß er ganz allein in dem schlecht beleuchteten Krankenzimmer,
nahe am Fenster. Wie beim letzten Mal trug er ein Unterhemd und eine hellblaue
Schlafanzughose - die typische Krankenhaustracht eines alten Mannes, die ihm
jede Individualität zu nehmen schien. Seine Augen waren auf den Heizkörper
gerichtet, während er das Klemmbrett auf den angewinkelten Knien balancierte.
    Und er
zeichnete. Scott konnte den Bleistift schon vom Gang aus hören: kratz, kratz ... kratz, kratz, kratz ...
    Scott machte
einen Schritt durch die Tür - und blieb
wie angewurzelt stehen. Es war keine bewusste Handlung, er hatte seinem Körper
nicht befohlen, innezuhalten, er hatte es einfach von sich aus getan. Eingerahmt
von der Tür, blieb er stehen und gab dem
Instinkt oder Reflex - was es auch gewesen sein mochte - nach, der ihn am
Betreten des Zimmers gehindert hatte. All seine Sinne waren angespannt, wie er
merkte. Er spürte, wie das Adrenalin durch seinen Körper schoss, so dass sich
das Blut in seinem Hals staute und sein Atem sich heftig beschleunigte.
    Seltsamerweise
machte sich hier Scotts grundlegende physiologische Ausstattung bemerkbar. Was
er gerade erlebte, war eine massive Reaktion auf die ganze Situation — etwas,
das Laien als Flucht- oder Kampf-Instinkt bezeichnen. Es ist ein
Instinkt, mit dem man völlig automatisch auf Gefahr oder Furcht reagiert, und
er ist allen höheren Lebensformen eigen. Dieser Instinkt drängte ihn jetzt,
sich entweder zur Wehr zu setzen oder auf der Stelle wegzurennen.
    Aber warum?
Welche Gefahr sollte ihm hier drohen?
    Mit leicht
benebeltem Kopf lehnte sich Scott an den Türrahmen. Das nicht verbrauchte
Adrenalin erzeugte ein Schwindelgefühl. Erneut blickte er zu dem alten Mann im
Rollstuhl hinüber, taxierte ihn, versuchte ihn im Licht der Vernunft
einzuschätzen.
    Oh, heilige
Vernunft, dachte er und spürte einen Anflug von Verrücktheit, du
trügerischste aller menschlichen Gaben. Er ist doch nur ein Schwächling von
nicht mal einem Zentner. Du könntest ihm genauso mühelos das Genick brechen,
wie du seinen Bleistift knickst...
    Jetzt bewegte
sich der Bleistift schneller über das Blatt, genau wie beim letzten Mal, als
Scott in der Nähe gestanden hatte. Es klang wie ein raues, abgehacktes Flüstern.
Angespornt von dem Geräusch, tat Scott einen weiteren Schritt vorwärts und
stürmte dann fast ins Zimmer. Während er bis zum Rollstuhl vordrang und sich
darüber beugte, musterte er das Blatt auf dem Klemmbrett. Aber es war nichts
Besonderes darauf zu sehen, nur zwei oder drei makaber wirkende Friedhofsszenen
— ziemlich durchgeknallt, aber nichts sagend.
    Scotts Körper
entspannte sich vor Erleichterung. Seufzend zog er einen Stuhl heran, setzte
sich zwischen den alten Mann und den Heizkörper und versuchte, sich in das
Blickfeld des Zeichners zu schieben. Ohne auf Scott zu achten, fuhr dieser fort
zu skizzieren, während das Radio neben ihm krächzte und dröhnte.
    »Hallo«, sagte
Scott, um eine beruhigende, gleichmütige Stimme bemüht. Aber sein Mund war heiß
und trocken, so dass die Worte nur schwer herauskamen. »Können Sie mich hören ?«
    Als sich der
Blick des Alten im Zwielicht der Dämmerung fast unmerklich verlagerte, zuckte
Scott zusammen. Wieder ertappte er sich dabei, wie er den Mann taxierte, wie
einen Gegner fixierte, mit dem eine körperliche

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