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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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hatte damit zu tun, dass ihr bisheriges
Leben an ihr vorbeigezogen wäre. Während dieser kurzen, surrealen Zeitspanne
kam ihr gar nicht der Gedanke, dass Kath oder ihr selbst etwas passieren könne.
Vielmehr fragte sie sich, was ein Betrunkener mitten in der Nacht, mitten im
Nirgendwo, mitten auf der Straße zu suchen habe. Ein Teil ihres Hirns kam in
recht kühler Überlegung zu dem Schluss, dass sie auf keinen Fall in den
Straßengraben und damit den Wagen zu Schrott fahren würde, nur um diesem Freak auszuweichen
(wahrscheinlich war er geistig zurückgeblieben, als Folge ländlicher
Inzucht...)
    (Was ist
mit seinem Gesicht los?)
    Auf keinen
Fall würde sie das lieben ihrer Tochter aufs
    Spiel setzen ...
    (Was hat er
für seltsame Klamotten an?)
    ... und ihr
eigenes auch nicht Flüchtig registrierte sie, dass Kath angeschnallt war, sie
selbst aber nicht Gleichzeitig fragte sie sich, wie viel (zusätzlicher) Schaden
am Wagen entstehen, ob der Mann beim Zusammenprall sterben und was Scott zu all
dem sagen würde.
    (Grinst der Mann ?)
    Ob Instinkt,
Reflex oder schlichte Menschlichkeit: Jedenfalls übernahm jetzt irgendetwas die
Herrschaft über Kristas Hände, so dass sie das Lenkrad nach rechts riss und
versuchte, diesem todgeweihten Mann auf der Straße auszuweichen
...
    (Ist das
etwa ein Kind?)
    Wie ein
benommenes Tier wankte und stolperte die Gestalt direkt auf das Auto zu. Krista
riss das Lenkrad hart nach rechts.
    Kath schrie
auf.
    Was folgte,
war ein grobes Knirschen von Metall - dann zersplitterte die Windschutzscheibe
und verwandelte sich in ein Mosaik herumfliegender, stechender Scherben. Die
Gestalt wurde mit dem Kopf voran durch die Scheibe geschleudert und landete
direkt vor Kath. Für den Bruchteil einer Sekunde - die Zeitspanne eines
aufflackernden Blitzlichts - konnte Krista das Gesicht im Schein des
Armaturenbrettes sehen. Ein Großteil der einen Gesichtshälfte war wie
weggeblasen; der Kiefer hing lose herunter, da die Bänder gerissen waren; aus
dem Mund, der weit offen stand, sickerte schwärzliches Blut
    Dann türmte
sich irgendetwas Massives vor ihnen auf, leuchtete auf — und Krista wurde aus
dem Sitz geschleudert. Als sie mit dem Schädel gegen das Wagendach prallte,
kämpfte sie trotz ihrer Benommenheit mit der makabren Vorstellung - der völlig
irren Vorstellung —, dass das Gesicht, das soeben durch die Windschutzscheibe
gekracht war, einem längst
    Verstorbenen
gehören müsse. Und diese Vorstellung verfolgte sie immer noch, als sie
den Weg durch den Tunnel antrat in dem der Atem für immer stockt. Und
der in eine Dunkelheit führt, die keine Umkehr zulässt.
    An einer
niedrigen Mauer aus Feldsteinen kam der Wagen plötzlich zum Halt. Aus
der eingedrückten Motorhaube wich Dampf. Die eingeklemmte Hupe erwachte zum
Leben. Ihr durchdringendes Klagegeheul drang durch die Nacht, die unaufhaltsam
auf den Morgen zuging, als sei nichts geschehen. Nichts rührte sich.
    21
    Scott
beschloss, sich den Drink nun doch zu genehmigen, und bat die Stewardess, ihm
etwas Starkes zu mixen. Während er trank, zwang er sich, an positivere Dinge zu
denken.
    Seine Frauen
würden dort sein, alle beide. Entweder würden sie oben in der Ankunftshalle
oder an den Gepäckbändern stehen. Bowmans Harem, nahe beieinander, mit allen
Anzeichen freudiger Erwartung, bereit, ihn in die Arme zu schließen, die
Gesichter ein einziges Lächeln. Sicher, heute war Vollmond — er hatte in seinem
Taschenkalender nachgesehen aber das war nur ein belangloses Detail, das nun
mal zur Szenerie eines Horror-Comics gehörte. Jede gute Friedhofsszene brauchte
einen Vollmond, das war ein MUSS. Krista und Kath waren in Boston, sie mussten
einfach in Boston sein. Wahrscheinlich waren sie schon vormittags angekommen.
Sie würden am Flughafen auf ihn warten, er würde sie dort begrüßen. Und Krista
dabei so nahe an sich heranziehen und so fest umarmen, dass ihre Rippen
knackten. Kath würde ihm einen Kuss geben, seinen Daumen mit ihrer Hand
umschließen und seinen Arm schwenken, während sie nach draußen zum Wagen
gingen. Bestimmt würde Krista ihm die ganze traurige Geschichte noch einmal von
vorn bis hinten erzählen. Und da sie in Neufundland aufgewachsen war, würde sie
auf
    keinen Fall
den Teil auslassen wollen, in dem der Kuhfladen auf der
Motorhaube gelandet war.
    Alles wurde
wieder in bester Ordnung sein.
    Diese Gedanken
verfolgten ihn, bis er in einen unruhigen Schlaf der Benommenheit fiel - die
Folge von Erschöpfung, zu viel

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