Der Cartoonist
Alkohol und der Angst, die nicht zu besänftigen
war und immer noch an ihm nagte.
Sofort begann
der Traum.
Durch den
Bodennebel, der über einem Friedhof waberte, war ein Grabstein mit merkwürdiger
Form zu erkennen: Er ähnelte dem Stumpf eines amputierten Beins. Der Traum war
so realistisch, dass Scott sogar die gotischen Buchstaben der Inschrift
ausmachen konnte. Allerdings war er nicht so nahe am Grab, dass er die Worte
hätte entziffern können. Plötzlich drang aus dem Boden vor der Gedenktafel ein
Geräusch, als reiße die feuchte Erde auf. Von der Verwesung gezeichnete,
schwärzliche Finger streckten sich in die frostige Nachtluft. Gleich darauf
folgte ein Kopf mit leeren Augenhöhlen. Die schwarze Zunge baumelte auf
grässliche Weise heraus, die gelblichen Zähne funkelten im Mondlicht. Danach
waren die gebeugten Schultern zu sehen, die in ihren Gelenken knirschten, als
sie sich nach und nach mit einem widerwärtig schmatzenden Geräusch aus dem Grab lösten ...
Scott wachte
schweißgebadet auf. Über ihn gebeugt stand eine Stewardess neben seinem Sitz.
Ihre Hand ruhte auf seiner Schulter. Das Lächeln war aus ihrem hübschen Gesicht
verschwunden.
Der Platz
neben ihm war leer. Das Flugzeug war bereits auf dem Rollfeld vor dem Logan
International gelandet. Scott griff nach seinem Gepäck und eilte den Gang
entlang zum Ausgang.
Oben in der
Ankunftshalle wartete niemand auf ihn, keine seiner beiden Frauen. Und auch an
der Gepäckausgabe war niemand.
Ein Gewicht
wie Blei senkte sich auf Scotts Schultern. Von einer öffentlichen Telefonzelle
aus rief er Caroline an.
»Nein, immer
noch nicht, Scott. Krista hat heute Nachmittag angerufen und mir erzählt, sie
hätten irgendwelche Probleme mit dem Auto. Ein Loch im Kühlergrill, glaube ich.
Sie hat gesagt, dass sie dich am Flughafen abholt, ehe sie hierher kommt«
Das bereits
vertraute Gefühl böser Vorahnung, inzwischen sein ständiger Begleiter,
verdoppelte die Last auf Scotts Schultern. Den Hörer ans Ohr gepresst, blieb er
hilflos stehen.
»Soll ich
kommen und dich abholen ?« , fragte Caroline, als Scotts
Schweigen sich in die Länge zog.
»Nein«,
erwiderte Scott mit fast versagender Stimme. »Du bleibst besser da für den
Fall, dass sie anruft oder auftaucht Ich warte hier. Von meinem Standort aus
kann ich die Ankunftshalle sehen. Hol dir was zu schreiben, dann gebe ich dir
die Nummer dieser Telefonzelle durch. Ruf mich an, wenn du irgendwas hörst«
Scott las ihr
die sieben Zahlen vor und legte auf. Dann nahm er in dem Liegesessel am Telefon
Platz und begann zu warten - unfähig, die schreckliche Gewissheit, die immer
mehr Besitz von ihm ergriff, aus seinem Herzen zu verbannen. Die folgenden
vierzig Minuten verbrachte er damit, jedes Gesicht von Menschen, die an ihm vorbeikamen,
zu mustern. Einmal fuhr er regelrecht aus dem Sessel hoch, drängte sich unter
verärgerten Blicken durch die Menschenmenge und stürzte auf eine Frau mit
kastanienbraunem Haar in blauer Windjacke los, die ein Kind dabei hatte. Aber
die Frau war höchstens zwanzig und das Kind ein Junge.
Als das
Telefon vierzig Minuten später läutete und Caroline ihm schluchzend mitteilte, Krista
sei tot, schloss Scott die Augen und brach, völlig am Ende, ohnmächtig auf dem
Fußboden der Halle zusammen. Sofort senkte sich Dunkelheit über ihn wie bei
einem plötzlichen Gewitter. Als sein Kopf auf die Steinplatten schlug, zog er
sich am Schädel eine mehr als zentimeterbreite Platzwunde zu. Zwei Dinge
verfolgten ihn bis in die Ohnmacht hinein, der Gedanke: Was ist mit Kath?
Und eine
Stimme, Carolines Stimme, die mit hohem, kindlichen Singsang lauter und lauter
die höhnischen Worte intonierte: Krista ist to-ot, Krista ist to-ot, Krista
ist tot...! KRISTA IST TOT !!«
22
An die
folgenden Stunden sollte Scott sich später kaum noch erinnern. Eine halbe
Ewigkeit - jedenfalls kam es ihm so vor -blieb er auf dem Fußboden der Halle
liegen. Als er die Augen wieder aufschlug, sah er den Telefonhörer vom Ende der
Schnur herunterbaumeln. Niemand hatte Scott hinfallen sehen, und jetzt schlugen
die Menschen einen Bogen um ihn, als hätten sie es mit einem Betrunkenen zu
tun. Gegen einen erneuten Schwindelanfall ankämpfend, rappelte sich Scott hoch,
ließ sich schwerfällig in den Liegesessel sinken und angelte nach dem Hörer. Er
konnte spüren, wie sich an seinem Hinterkopf warmes Blut den Weg durchs Haar
bahnte.
»Hallo ?« , quäkte es wiederholt aus dem Apparat. Inzwischen war ein
Mann
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