Der Cartoonist
sie wirkte völlig geschafft
Nachdem Scott
in Kaths Zimmer zurückgekehrt war, zeigte ihm eine Krankenschwester, wie er den
großen Sessel am Fenster zu einer Liege ausklappen konnte. Ein Weilchen später
streckte er sich darauf aus und versuchte, sich auszuruhen. Doch wieder und
wieder schlug er die Augen auf, um auf Kaths Gesicht nach Anzeichen dafür zu
suchen, dass sie wieder bei Bewusstsein war. Glücklicherweise hatte sich ihr
starrer Gesichtsausdruck gelockert; sie blickte nicht mehr ins Leere, ihre
Augen hatten sich endlich geschlossen. Scott nahm an, dass das Valium seine
Wirkung tat. Sie schien friedlich zu schlummern, genau wie der Assistenzarzt
gesagt hatte.
Irgendwann
fiel Scott Jinnie ein. Er stand auf, um die Stoffpuppe zu holen. Als er sie aus
der Flugtasche kramte und dabei auf die Zeichnungen stieß, zerrte er sie
ebenfalls heraus. Nachdem er die Puppe Kath aufs Kopfkissen gelegt hatte, zog
er sich wieder auf die Liege zurück. Im fahlen, gelbrötlichen Lichtschein der
Gangbeleuchtung faltete Scott die Zeichnungen auseinander und ging sie Bild für
Bild durch, bis er innerlich erschauerte und es nicht länger ertrug. Mit Tränen
in den Augen, die sein Blickfeld trübten, faltete er die Skizzen wieder
zusammen und verstaute sie in seiner Hemdtasche.
Und genau in
dem Moment, als er dachte, er werde nie wieder Schlaf finden, auf immer und
ewig erschöpft, aber hellwach daliegen, die Bilder seiner von Krämpfen
geschüttelten Tochter und des entstellten Leichnams seiner Ehefrau vor Augen,
kam der Schlaf schließlich doch. Der Schockzustand und die Erschöpfung der
letzten vier Tage wirkten so heftig zusammen, als habe er eine Überdosis von
Beruhigungsmitteln geschluckt. Er fiel in einen Schlaf voller Albträume, in
denen tote Männer herumspazierten. Sein einziger Gefährte war der Kummer.
25
Als Dr. Holley
am Mittwochmorgen auf die Intensivstation kam, fand er Scott zusammengerollt
auf dem Liegesessel vor. Mit leerem Blick starrte er auf sein Kind, das noch
nicht wieder bei Bewusstsein war. Es war ihm anzusehen, dass er kaum geschlafen
hatte. So behutsam wie möglich wies der Untersuchungsbeamte Scott auf die
unangenehmen Pflichten hin, um die er sich würde kümmern müssen, da sie keinen
Aufschub duldeten.
»Sie werden
entscheiden müssen, was mit dem Leichnam geschehen soll«, sagte er in einem
Ton, den Scott sofort einordnen konnte. Dr. Holley und seine Kollegen wandten
diesen Ton gegenüber den verlorenen Seelen an, die man gemeinhin als die trauernden Hinterbliebenen bezeichnete.
»Normalerweise
kümmert sich das Beerdigungsinstitut um alle Formalitäten, die Abholung des
Leichnams, die Überführung und all das. Sie müssen dort nur anrufen und
Bescheid sagen. Außerdem müssen Sie sowohl für Ihre Frau als auch für Ihre
Tochter einige Formulare ausfüllen und das Auto abholen oder abholen lassen.
Soweit ich weiß, hat es den Wagen zwar ziemlich erwischt, aber es ist
keineswegs ein Totalschaden .« Holley seufzte. »Haben
Sie schon irgendwelche Verwandten benachrichtigt ?«
Scott
schüttelte den Kopf. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, irgendwo
anzurufen. Klara würde er als Erstes benachrichtigen müssen, danach Kristas
Mutter... Vielleicht konnte er das aber auch Klara überlassen ... Ja, das würde
das Beste sein. Er sollte auch Gerry anrufen ... und einige der anderen engsten
Freunde, aber das konnte warten.
Holley stand
auf. »Die Schwestern haben alle Formulare, die Sie brauchen .« Er deutete auf die Computerkonsol e hinter der seitlichen Wand aus
Plexiglas. »Sie können sie ausfüllen, sobald Sie sich dem gewachsen fühlen .« Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Ich habe hier
noch etwa eine Stunde zu tun, dann muss ich in die Stadt. Wenn Sie möchten kann
ich Sie bei der Werkstatt absetzen, wo die Polizei Ihr Auto abgestellt hat.
Inzwischen müssten die uns auch mitteilen können, ob möglicherweise
irgendwelche technischen Probleme den Unfall verursacht haben. Sie können dann
gemeinsam mit denen entscheiden, was mit dem Wagen am besten geschehen soll .«
Scott setzte
sich auf und rutschte zum Rand des Liegesessels. Während er sich mit kraftlosen
Händen das Gesicht rieb, spähte er durch die Finger auf Kath, deren Augen halb
offen standen und hoffnungslos leer wirkten. Vage merkte er, was Holley gerade
tat: Ebenso behutsam wie bestimmt versuchte der Untersuchungsbeamte, ihn dazu
zu bewegen, sich mit den Realitäten zu befassen - vielleicht weil ihm klar
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