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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vertheidigen.
    Owen und die Uebrigen dringen auf uns zu. Die Verblendeten sind betrunken: in der Nacht haben sie das Branntweinfäßchen gestohlen und es fast ausgetrunken.
    Was mögen sie wollen?
    Owen und der Neger, die noch am Meisten bei Sinnen zu sein scheinen, reizen die Anderen auf, uns niederzumachen, und Jene unterliegen gewissermaßen einer Art Säuferwahnsinn.
    »Nieder mit Kurtis! rufen sie. In's Meer mit dem Kapitän! Owen commandirt! Owen commandirt!«
    Owen ist der Anführer der Rotte, ihm folgt der Neger. Der Haß dieser beiden Kerle gegen ihren Officier äußert sich jetzt in einem Gewaltstreiche, der im Falle des Gelingens unsere Lage gewiß nicht zu bessern im Stande wäre. Ihre Partner, welche kaum denken können, aber sich besser bewaffnet haben als wir, sind uns jetzt immerhin furchtbar.
    Als Robert Kurtis sie heran kommen sieht, geht er ihnen entgegen und ruft mit fester Stimme:
    »Die Waffen weg!
    – Den Tod dem Kapitän!« heult Owen.
    Dieser Schuft treibt seine Genossen durch Handbewegungen an; doch Robert Kurtis weicht der betrunkenenRotte aus und stellt sich gerade vor ihn hin.
    »Was willst Du? fragt er Jenen.
    – Keinen Commandanten auf dem Flosse! antwortet Owen, hier sollen Alle gleich sein!«
    Der Verblendete! Als ob wir, das Elend vor uns, nicht Alle schon gleich wären!
    »Owen, wiederholt der Kapitän noch einmal, die Waffen weg!
    – Tapfer drauf, Ihr Anderen!« brüllt Owen.
    Es entspinnt sich ein Kampf. Owen und Wilson stürzen auf Robert Kurtis, der ihre Schläge mit einem Pfahle abwehrt, während Burke und Flaypol auf den Bootsmann eindringen. Ich habe den Neger Jynxtrop als Gegner, der ein Beil schwingend mich zu treffen sucht. Ich versuche ihn mit den Armen zu umschlingen, um seine Bewegungen zu verhindern, aber die Muskelkraft dieses Spitzbuben übertrifft die meinige, und nach einigen Augenblicken des Widerstandes fühle ich, daß ich wohl unterliegen muß, als Jynxtrop plötzlich auf die Plateform hinrollt und mich im Sturze mit sich reißt. André Letourneur hat ihn an einem Beine gepackt und dadurch umgeworfen.
    Diese Hilfe hat mich gerettet. Der Neger hat beim Fallen sein Beil verloren, dessen ich mich bemächtige, und eben will ich ihm den Schädel spalten, als André's Hand nun auch mich zurückhält.
    In der That, die Empörer sind schon auf das Vordertheil zurückgedrängt. Robert Kurtis hat, nachdem er Owen's Axthieb glücklich parirt, selbst ein Beil erlangt und schlägt damit aus vollen Kräften zu.
    Owen springt aber zur Seite, und das Beildringt Wilson mitten in die Brust. Der Elende stürzt rückwärts zusammen, vom Flosse herunter und verschwindet im Wasser.
    »Rettet ihn! Rettet ihn! ruft der Hochbootsmann.
    – Der ist todt! erwidert Daoulas.
    – Eben deswegen ...«, sagt noch der Bootsmann, ohne den Satz ganz auszusprechen.
    Aber Wilson's Tod endet den Kampf. Flaypol und Burke sind im höchsten Stadium der Trunkenheit besinnungslos hingesunken, und wir stürzen uns auf Jynxtrop, der fest an den Fuß des Mastes gebunden wird.
    Der Zimmermann und der Hochbootsmann haben indessen Owen überwältigt. Mit der blutigen Axt in der Hand nähert sich ihm Robert Kurtis und sagt:
    »Verrichte Dein letztes Gebet. Du stirbst!
    – Sie haben gewiß rechte Lust, mich aufzuessen!« erwidert Owen mit einer Frechheit ohne Gleichen.
    Diese trotzige Antwort rettet ihm das Leben. Robert Kurtis wirft die Axt weg, die er schon zum Schlage erhoben hat, und setzt sich leichenblaß auf dem Hintertheile des Flosses nieder.

XXXIX.
    Am 5. und 6. Januar. –
    Diese Scenen haben uns tief ergriffen. Owen's unter den thatsächlichen Verhältnissen gegebene Antwort ist wohl geeignet, auch die Muthigsten niederzuschlagen.
    Sowie ich ein wenig wieder zur Ruhe gekommenbin, habe ich dem jungen Letourneur meinen Dank dafür ausgesprochen, daß er mir durch seine Intervention das Leben gerettet hat.
    »Sie danken mir, antwortet er, wo Sie mir fluchen sollten!«
    – Ihnen, André?
    – Mr. Kazallon, ich habe ja nichts gethan, als Ihre Leiden verlängert!
    – Darauf kommt es nicht an, Mr. Letourneur, mischt sich da Miß Herbey ein, Sie haben Ihre Pflicht gethan!«
    Immer dasselbe Gefühl der Pflicht, welche dem jungen Mädchen über Alles geht! Sie ist durch die grausamen Entbehrungen abgemagert, ihre durch die fortwährende Feuchtigkeit verdorbenen und schadhaft gewordenen Kleider flattern umher, doch keine Klage kommt aus ihrem Munde und Nichts vermag ihr den Muth zu rauben.
    »Mr.

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