Der Chaos-Pakt
fest schlief.
Nylan trat zu dem Bett, das direkt neben Kyalynns stand, und legte der schlafenden Dyliess einen Augenblick die Hand auf den Rücken. Wann immer er sich in der Kinderkrippe aufhielt, kam er aus dem Staunen nicht heraus.
Antyl, die in einer anderen Ecke ihren Sohn Jakon stillte, lächelte ihn an. Sie wiegte sich leise im schlichten Schaukelstuhl, den die Wächterinnen während des langen Winters gebaut hatten.
Istril kümmerte sich gerade um Weryl, vermied es aber geflissentlich, zu Siret oder Nylan zu blicken, was die Vermutungen des Schmieds hinsichtlich der scheinbar so zufälligen Begegnungen zu bestätigen schien.
Nylan und Siret verließen die Kinderkrippe und wandten sich zum großen Saal.
»Sie sieht dir sehr ähnlich«, sagte der Ingenieur leise.
»Sie nimmt die Dinge auf wie Ihr. Sie sieht etwas an, sie macht kein Theater, sondern sie weiß einfach, was um sie herum vor sich geht. Ich möchte wetten, dass sie Euch fühlen konnte, als Ihr Lyselles Hand geheilt habt. Sie hat die Augen aufgerissen und Euch beobachtet.«
»Mag sein«, überlegte Nylan, während er am untersten Tisch stehen blieb. Ein Duft von Minze, Gewürzen und frischem Brot wehte durch den Raum. »Wir haben beide diese Begabung. Du solltest gut auf sie Acht geben, wenn sie älter wird.«
»Meint Ihr, sie könnte überempfindlich sein? Ich habe auch schon daran gedacht.« Siret nickte und hob die Hand. »Wie ich sehe, wartet die Marschallin schon auf Euch.« Ihre Stimme war merklich kühler geworden.
Nylan lächelte müde, aber das Lächeln verschwand sofort wieder, als er sich umdrehte und zum vorderen Tisch ging, der dicht am Ofen stand.
»Wie kommst du mit den Schwertern voran?«, wollte Ryba wissen.
»Ich habe gerade mit einem neuen begonnen. Das Schwert, das wir gestern gemacht haben, kann jetzt geschärft werden.« Nylan wich Rybas Stuhl aus und ließ sich neben Huldran auf seinem Platz auf der Bank nieder.
»Noch eins?«, stöhnte Saryn, die auf der anderen Seite saß.
»Ja, noch eins.« Nylan lächelte sie offen an. »Und Huldran wird heute Abend oder morgen früh das nächste fertig haben.«
»Also gleich zwei?« Saryn zuckte mit den Achseln und wischte sich den Schweiß von der feuchten Stirn. »Wenn ihr in diesem Tempo weitermacht, werden wir bald genügend Schwerter für eine ganze Legion der Vereinigten Glaubenstruppen haben.«
»Ich dachte, das wäre nötig?«, gab der Ingenieur zurück, während er sich Blynnals Nudeln auf den Teller häufte.
»Ein anderer Weg, die Einheimischen aufzuhalten, ist mir bisher nicht eingefallen. Und dir?«, warf Ryba belustigt ein.
Nylan zuckte mit den Achseln. Es war immer das Gleiche mit Ryba. Sie lag mit ihren Fragen und Antworten gewöhnlich richtig, aber es ging viel zu oft darum, möglichst nachhaltig Gewalt einzusetzen, bevor jemand anders es tat. Und die wenigen Gelegenheiten, bei denen die Engel nicht fähig gewesen waren, Gewalt einzusetzen, hatten beinahe in Katastrophen geendet. Lag seine Abneigung gegen Führungspositionen daran, dass er es hasste, vorbeugend zur Gewalt zu greifen? Und an der Gewissheit, dass sich genau dies auf der gewalttätigen Welt, auf der die Engel gelandet waren, nicht vermeiden ließ?
Ayrlyn setzte sich Nylan gegenüber auf die Bank. Sie zog kurz die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts, sondern schenkte sich Tee ein und trank gierig die halbe Tasse aus.
Obwohl das Fladenbrot die Wirkung etwas dämpfte, trat Nylan beim zweiten Bissen Nudeln der Schweiß auf die Stirn, gerade so, als würde er am Schmiedefeuer arbeiten. Der kühle Tee half etwas, aber nicht genug.
»Das Essen ist hier wirklich gut«, erklärte Daryn.
Nylan sah den jungen Bewaffneten an und hätte beinahe den Kopf geschüttelt. Aßen denn alle Einheimischen so scharf gewürzte Speisen? War es ein Trick, der dem Überleben diente, weil man auf diese Weise den Geschmack von nicht mehr ganz frischem Fleisch und Mehl zu überdecken hoffte?
»Wir geben uns Mühe, unsere Sache möglichst gut zu machen«, erwiderte Ryba.
»Und das gelingt Euch wirklich, ehrenwerte Marschallin. Westwind ist in der Tat erstaunlich.«
Der junge Mann war in Gallos gut ausgebildet worden und hatte vortreffliche Manieren, überlegte Nylan. Und er war anpassungsfähig und viel flexibler als Gerlich. Der ehemalige Waffenoffizier hatte nie verwinden können, dass Ryba ihm als Befehlshaberin und in bewaffneten wie auch waffenlosen Kampftechniken überlegen war. Gerlich war beim Versuch
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