Der Chaos-Pakt
war das Problem mit den Rationalisten, dachte Nylan. Immer missbrauchten sie die Logik, um sich die eigene Überlegenheit zu beweisen und ihr Bemühen zu rechtfertigen, mit äußerster Brutalität alles zu vernichten, was sich ihnen in den Weg stellte. Irgendwie hatte er gehofft, er und Ayrlyn würden in Candar nicht mehr die gleichen Schlachten schlagen müssen wie an Bord der Winterspeer, aber es sah so aus, als würden überall dort, wo es Menschen gab, immer wieder die gleichen Probleme entstehen.
»Nein, sie haben sich nicht geändert und sie werden sich nie ändern.« Ayrlyns Stimme klang belegt. »Und du weißt, was das bedeutet.«
Nylan wusste es. Schon wieder Leute, die nur auf überlegene Gewalt reagierten. Seine Nase juckte. Ayrlyn rieb sich die Nase, schluckte und versuchte gleichzeitig, ein Niesen zu unterdrücken. Er dagegen ließ dem Impuls freien Lauf und nieste wie aus Herzenslust.
Als sie die Pferde an einem stabilen Geländer vor dem Schuppen festgemacht hatten, betraten Nylan und Ayrlyn das Gebäude. Nylans Stiefel versanken sogleich in Mist und Staub.
»Bei der Dunkelheit ...«
»So schlimm ist es gar nicht. Ich habe Schlimmeres gesehen«, meinte Tonsar, der zu Fuß zu ihnen kam und sein Pferd am Zügel führte. Die ungefähr dreißig Auszubildenden und Unruhestifter blieben ein Stück entfernt auf den Pferden sitzen.
»Lasst uns hier aufräumen«, sagte Nylan leise. »Nehmt, was nötig ist, um den Boden bis auf die nackte Erde frei zu kratzen, und dann wischt ihn sauber, bevor irgendjemand hier sein Nachtlager aufschlägt. Oh, und hinter dem Schuppen liegen drei Leichen und ein paar tote Schafe. Sie müssen begraben werden, und zwar mindestens hundert Ellen vom Wasserlauf entfernt.«
Tonsar sah Nylan fragend an. »Die Männer sind wahrscheinlich müde.«
»Lieber müde als in zwei Tagen krank. Und sie werden krank, wenn sie in diesem Dreck schlafen, noch dazu mit ein paar verwesenden Leichen gleich um die Ecke.«
Tonsar seufzte leise. »Ja, Ser.«
»Tonsar, wir ... wir sind nicht ...« Nylan schüttelte den Kopf. »An Krankheiten sterben mehr Männer als durch die Klingen des Feindes. Ich kann nicht alle Schwerter aufhalten, aber ich weiß, wie man dafür sorgt, dass die Leute nicht krank werden.«
»Wir werden außerdem dafür sorgen, dass sie sauberes Wasser bekommen, damit sie nicht an Durchfall erkranken.«
Tonsar sah sie skeptisch an.
»Wir sind Heiler, schon vergessen?«, sagte die rothaarige Frau. »Und falls sie das nicht überzeugt ... nun ja. Hat jemand Lust, ein Schwert durch die Brust gesteckt zu bekommen?« Jetzt klang ihre Stimme bitter und Nylan wusste, warum. Er fühlte sich ganz ähnlich.
»Nein, Engel. Es soll erledigt werden.« Er schien unendlich müde.
»Wir sind uns nicht zu fein zum Arbeiten«, erklärte Nylan. »Ich werde unter dem vorstehenden Dach dort den Amboss und einen provisorischen Schmiedeofen aufbauen. Dazu brauche ich ein paar Steine oder Ziegel ...«
»Ja, Ser«, sagte Tonsar noch einmal.
»Und wenn ich Schwerter repariere und schärfe, Tonsar, dann können sie auch Steine schleppen.«
Ayrlyn nickte. Sie wussten beide, dass es Augenblicke gab, in denen man sich durchsetzen und ein Beispiel geben musste. Er hoffte nur, sie hatten den richtigen Augenblick gewählt.
LXI
A ls am Morgen die Kochfeuer abgedeckt wurden, schluckte Nylan den letzten Bissen Brot herunter und stand auf. Die Bank war zu hart, um lange zu sitzen. Er wunderte sich immer noch, wie man über einem Kochfeuer ein halbwegs genießbares Brot backen konnte. Der armen Kadran war es jedenfalls nicht gelungen.
»Das Brot ist nicht übel.« Er folgte Ayrlyn zum Schuppen, wo Tonsar ihre auszubildenden Rekruten beaufsichtigte. Auf der Türschwelle vor dem Haupthaus saß Sylenia und fütterte Weryl, unter dem vorspringenden Dach des Schuppens waren schon einige Steine und zerbrochene Ziegel zu einem primitiven Schmiedeofen aufgetürmt. Nylan hoffte, das Provisorium würde ausreichen, aber bisher hatte er noch keine Zeit gehabt, sich über die anstehenden Schmiedearbeiten den Kopf zu zerbrechen. Er hatte schon wieder von Bäumen geträumt, von alten Bäumen, in denen Ordnung und Chaos umeinander flossen.
»Auch der Käse ist nicht schlecht«, fügte Ayrlyn hinzu. »Was beschäftigt dich? Du fliegst durch eine andere Galaxis, seit du aufgewacht bist.«
»Bäume ...«, sagte Nylan nur.
Ayrlyn drehte sich zu ihm um. »Bäume voller Weiß und Dunkelheit?«
»Ordnung und
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