Der Chaos-Pakt
das Gefühl des Gleichgewichts und das kann ihm nicht geschadet haben. Jedenfalls scheint er guter Dinge.«
Nylan hoffte es. Sein Sohn war zu jung, um wegen der Bedeutung der Bilder belastet zu sein. »Was können wir tun?«
»Auch das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass wir, was den Ausgleich zwischen Ordnung Chaos angeht, die gleiche Botschaft erhalten haben.«
»Und sonst niemand außer uns? Warum gerade wir?«
Ayrlyn leckte sich die Lippen, zögerte aber noch etwas, ehe sie antwortete. »Warum gerade wir?«, sagte sie schließlich. »Ich weiß es nicht. Warum können wir heilen? Warum haben wir seltsam gefärbte Haare?« Sie lachte leise. »Vielleicht war diese ganze Verwerfung des Unterraums ... der Sprung der Winterspeer in dieses Universum ... vielleicht ist das alles nur geschehen, weil wir gebraucht wurden, um das Gleichgewicht wieder herzustellen ...«
»Ein automatisch ablaufender Mechanismus, der die Dinge stabilisieren will ... und der stark genug ist, um über Universen hinweg zu wirken?«
»Vielleicht war es auch nur Zufall und jetzt, da wir hier sind, versucht dieses ... dieses Gleichgewicht, uns anzusprechen. Spielt es eine Rolle?«
»Ich bin eigentlich nur ungern eine Schachfigur ... auch wenn das Schachbrett das ganze Universum ist.« Der Gedanke beunruhigte Nylan, zumal er wusste, wie sehr er sich verändert hatte ... oder verändert worden war. Der arme Sillek, wahrscheinlich hatte er die Zusammenhänge erkannt. Der tote Herr von Lornth war intelligent und klug gewesen, geschickt und tatkräftig und ein geborener Anführer – und war doch von den Kräften der Unwissenheit, von sexistischen Barbaren ausgelöscht worden. Waren er und Ayrlyn jetzt in einer ähnlichen Situation? Standen sie unter dem Einfluss einer ... einer ausgleichenden Kraft, die die Dinge ins Lot bringen wollte ... und würden auch sie am Ende dem blinden Machtstreben dummer Menschen zum Opfer fallen?
»Das ist ziemlich unerfreulich«, sagte sie.
»Ja, ich habe unerfreuliche Gedanken.« Nylan rieb sich die Stirn und stellte fest, dass die Kopfschmerzen, die ihn ständig begleitet hatten, verschwunden waren. Er runzelte die Stirn.
»Ein Gleichgewicht ... zwischen Ordnung und Chaos«, murmelte er.
»Da ist noch etwas«, sagte Ayrlyn. »Ich glaube, wir sollen eine Weile hier bleiben. Nicht lange. Gerade lange genug, dass wir sehen und verstehen.«
»Vielleicht kannst du bald wieder singen?«
»So weit würde ich jetzt noch nicht gehen ... noch nicht.« Aber ein leichtes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel und blitzte in ihren Augen.
»Sind wir hier auch sicher?« Er sah besorgt zu Weryl.
»Sind wir irgendwo auf dieser Welt sicher?« Ayrlyns Antwort konnte ihn nicht beruhigen, aber sie hatte natürlich Recht.
XCVIII
N ylan sah sich über die Schulter um und schon wieder wollten seine Augen vom Hain im Tal abirren. Aber dieses Mal, da er wusste, was er sehen wollte, konnte er dem Impuls widerstehen und einen langen Blick hinunter zu den mächtigen Bäumen werfen.
»Er ist weg ...«
»Er ist immer noch da«, meinte Buretek. »Wir können ihn bloß nicht sehen. Er hat einen magischen Schild, wie die Engel es gesagt haben.«
Sylenia, die zwischen und ein wenig hinter den beiden Engeln ritt, nickte. Weryl, der hinter ihr auf seinem Sitz thronte, winkte mit einem kleinen Kiefernzapfen, den er fest in der Hand hielt.
Der Schmied warf einen Blick zur rothaarigen Heilerin, deren glasige Augen ihm verrieten, dass sie in Gedanken weit entfernt war von der staubigen Straße, die in Richtung Südosten nach Syskar, zu den Cyadoranern, zu Fornal und zu neuen Schlachten führte. Er holte tief Luft.
Sie hatten zwei Tage im Hain verbracht und sich ausruhen können, aber weder er noch Ayrlyn hatten mehr herausgefunden als das, was ihnen schon am ersten Abend bewusst geworden war. Die »Träume« oder Visionen wiederholten sich praktisch ohne jede Veränderung. Im Wald herrschte ein Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos, wobei die Ordnung – und ein tiefer Friede – die Vorherrschaft zu haben schien.
»Das ist der Schlüssel, weißt du?«, sagte Ayrlyn schließlich.
»Was meinst du?«
»Das Gleichgewicht.«
»Es war überall zu spüren«, stimmte Nylan zu. »Aber das Problem ist doch, dass die Menschen so ein Gleichgewicht nicht akzeptieren wollen. Wir reden vielleicht darüber, aber unsere Taten sprechen eine andere Sprache. Die Gier der Menschen nach allen möglichen Dingen – Liebe, Macht, Reichtum –
Weitere Kostenlose Bücher