Der Chaos-Pakt
Ihr werdet das Chaos verstärken, das der Verwunschene Wald benutzen kann, um weiter zu wachsen.«
»Dieses Problem werden wir lösen, wenn es sich uns stellt. Im Augenblick müssen wir die Barbaren schlagen, weil sie die größere Bedrohung darstellen.« Der Hüter der Stufen zum Paradies hielt inne und betrachtete die geschlossenen Türen des Saales. Kleine Dampfwolken spielten um die Scharniere. »Wir haben unserem Volk Ordnung und Gehorsam eingeimpft. Wir können die Menschen nicht über Nacht in Krieger verwandeln, und falls wir es doch versuchen sollten ...« Lephi schüttelte den Kopf.
»Ihr fürchtet, sie würden sich als Erstes gegen die Spiegelkasten wenden?«
»Nein. Aber die Steuern und Zölle würden steigen und damit zugleich auch der Ungehorsam. Spiegellanzenkämpfer und Fußsoldaten würden überheblich werden ...«
Triendar lachte leise. »Niemand würde vermuten, dass der Herrscher von Cyad seinem Volk gegenüber so rücksichtsvoll ist.«
Lephi schnaubte. »Wir haben keine andere Wahl, als das Chaos einzusetzen.«
»Wie Ihr wünscht, Ser. Ich habe Euch vor den Risiken gewarnt.«
»Und ich habe Euch erklärt, welche Risiken uns drohen, wenn wir das Chaos nicht einsetzen.« Lephi deutete zum breiten Fenster, hinter dem sich das Westmeer erstreckte. »Versteht Ihr es nicht? Ihr macht Euch Sorgen, was in den kommenden Jahren geschehen könnte. Aber wenn wir die Barbaren jetzt nicht aufhalten, wird keiner von uns mehr Gelegenheit haben, sich über die Zukunft irgendwelche Sorgen zu machen. Es gibt jetzt schon Bauern, die den Weißen Thron herausfordern. Händler im Osten wollen von unseren Kaufleuten die doppelten Preise verlangen, weil sie Cyad nicht mehr fürchten. Barbaren wollen unsere Kupfermine erobern. Wir haben keine Feuerschiffe, keine überzähligen Feuerwagen und seit Generationen keine Feuerkanonen mehr. Wir haben Lanzenreiter und Fußtruppen ... und wir haben die Macht des Chaos, über die Ihr gebietet. Ihr werdet Euer Chaos gegen die Barbaren aufbieten. Der Wald kann warten, muss warten.«
Triendar verneigte sich. »Wie Ihr wünscht.«
XCVII
D uretek, Fuera und Sias saßen an einem niedrig brennenden Feuer. Die Feuerstelle war mit uralten Steinen eingefasst und offenbar seit sehr langer Zeit nicht mehr benutzt worden. So alt waren sie, dass sich im Laufe der Jahrhunderte der Ruß tief in die Poren und Spalten der Steine gefressen hatte. Sylenia hielt sich ein Stückchen abseits von den Bewaffneten. Leises Murmeln wehte nach Süden, wo Ayrlyn und Nylan zwischen knorrigen Wurzeln auf den weichen Nadeln saßen, den Rücken an die unebene Borke gelehnt. Nylan lauschte einen Moment.
»... so friedlich hier ...«
»Sie brauchen es ... wir wahrscheinlich auch ...«
»... ist aber gespenstisch ... beinahe vorbeigeritten und nichts gesehen ...«
»Die Engel haben ihn gesehen.«
»Sie sehen manchmal viel zu viel ...«
Da musste Nylan zustimmen. Er sah sich nach links um. Hinter der Wurzel lag Weryl auf seiner Decke, die Augen noch geöffnet, aber schon schläfrig, und sah müde zum dunklen Dach hinauf, das die Sterne verdeckte.
»Dies ist ein sehr alter Ort«, murmelte der Schmied. Er fuhr mit den Fingern über die Risse und Spalten in der Borke, schaute nach oben zu den Wipfeln. Neben diesen Baumriesen wären sogar die Haine der Nomaden von Sybra wie junge Schösslinge erschienen.
»Älter als alle Bäume, die wir je gesehen haben«, stimmte die Heilerin zu. Ihre Haar, noch feucht, nachdem sie sich im sauberen, reinen Bach gewaschen hatte, schienen im Zwielicht von innen heraus zu leuchten. »Und der Hain fühlt sich an wie die Träume.«
»Was sollen wir jetzt tun?«
Ayrlyn schüttelte den Kopf. »Wir lehnen uns an und entspannen uns. Öffne dich einfach deinen Gefühlen. Ich weiß, wie schwer dir das fällt, aber es wird schon gut gehen. Ich weiß es einfach.«
Mit einem tiefen Atemzug veränderte Nylan ein wenig seine Position auf den weichen Nadeln, die sich zwischen den knorrigen Wurzeln gesammelt hatten, bis ein Sitz entstanden war, der einem Pilotensitz nicht unähnlich war, wenn nicht sogar noch bequemer. Der Duft der Kiefernnadeln, ein feuchter Lufthauch vom Bach, der süße Geruch der Rotbeeren – all das erzeugte ein Gefühl von Lebendigkeit, wie Nylan es schon seit vielen Achttagen nicht mehr verspürt hatte.
Lächelnd folgte er Ayrlyns Beispiel und schloss die Augen. Die leisen Gespräche der Gefährten am Feuer ignorierte er.
Zuerst empfand er nur Frieden
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